Recruiting: Jetzt wird’s persönlich

Trotz latenter Wechselbereitschaft: Private Banking ist nach wie vor ein Bewerbermarkt. Was das fürs Recruiting bedeutet und wie Personaler reagieren sollten, beschreibt HR-Experte Boris Böttcher.


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Filialsterben und Stellenabbau bei Banken – davon hört und liest man viel. Bewerber für eine Bank zu finden, sollte daher ein Kinderspiel sein. So denken vermutlich viele. Doch tatsächlich ist das Gegenteil der Fall – zumindest im Private Banking. Hier wird eher auf- statt abgebaut. Entsprechend hart wird der Kandidatenpool von Personalvermittlern umkämpft. Der Bewerbermarkt hat sich gedreht und damit auch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Ein Beleg dafür ist, dass es immer mehr Personaldienstleister und Headhunter gibt. Vor zehn Jahren wurde etwa die Hälfte aller Jobs über die klassische Stellenanzeige besetzt. Weitere zehn bis 20 Prozent der Kandidaten wurden früher von Mitarbeitern empfohlen. Heute macht das Jobinserat einen vernachlässigbaren Anteil aus und die persönliche Empfehlung aus eigenen Netzwerken wird immer wichtiger.

Mitarbeiter im Private Banking zu gewinnen, ist anspruchsvoller, aber auch interessanter geworden. Die Kandidaten-Empfehlung durch eigene Mitarbeiter ist bei der Quirin Privatbank eine wichtige Säule bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter. Wenn Mitarbeiter Kollegen empfehlen, mit denen sie in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet haben, hat das aus Unternehmenssicht den Vorteil, dass ein bereits eingespieltes Team beim neuen Arbeitgeber wieder zusammenkommt. Man kennt und versteht sich auf der zwischenmenschlichen Ebene.

„Der Wille ist da, doch die konkrete Stellensuche wird hinausgezögert“

Die andere Säule im modernen Recruitment-Prozess ist das Headhunting, also die persönliche Ansprache, in der Hoffnung, dass der Kandidat zum Unternehmen passt und wechselwillig ist. Und der Pool der Wechselwilligen, der zunächst mit einem großen Fragezeichen versehen ist, ist riesig. Das gilt nicht nur für die Bankenbranche. Der Gallup-„Engagement Index“ hat die Wechselwilligkeit der Belegschaft in Unternehmen untersucht. Das Ergebnis: Etwa jeder Siebte hat innerlich gekündigt. Eine Forsa-Studie im Auftrag des Karriereportals XING aus diesem Jahr geht sogar von jedem Dritten aus. Die konkrete Herausforderung ist, diese potenziellen Kandidaten zu finden. Karriereportale wie XING oder LinkedIn sind eine gute Quelle. Die anderen Recruiting-Kanäle sind der eigene Branchenüberblick sowie eigene Netzwerke und Foren.

Aufwendige Recruiting-Tools, in denen Bewerber ihre Lebensläufe anlegen können, führen unserer Ansicht nach nicht zum Ziel. Denn wechselwillige Bewerber sind zwar bereit, ihrer aktuellen Stelle den Rücken zuzukehren. Doch tatsächlich eine Bewerbung zu formulieren oder irgendwo den Lebenslauf einzupflegen, empfinden sie als lästig. Der Wille ist also da, doch die konkrete Stellensuche wird hinausgezögert oder geht im Alltag unter. Was man oft hört, ist, dass viele von ihrer aktuellen Stelle und dem Leben nach der Arbeit so sehr in Anspruch genommen werden, dass sie keine Lust mehr haben, sich in der Freizeit mit Bewerbungen zu beschäftigen. Dem muss man heute Rechnung tragen.

„Unsere Berater können bedarfsorientiert im Kundeninteresse agieren“

Der nächste Schritt nach der Kandidatensuche ist der direkte, persönliche Kontakt und damit das Werben fürs eigene Unternehmen. Wir profitieren hier von einem Wertewandel innerhalb der Branche. Denn viele wechselwillige Kandidaten im Private Banking empfinden den Verkaufsdruck bei klassischen Banken als belastend. Das erwähnen Kandidaten oft im persönlichen Gespräch. Als erste Honorarberaterbank in Deutschland gibt es bei der Quirin Privatbank diesen Druck nicht, weil wir keine eigenen Produkte haben und keine Provisionen von Produktanbietern vereinnahmen. So können die Berater bedarfsorientiert im Kundeninteresse agieren. Hinzu kommt, dass die Regulatorik – Stichwort MiFID II – Provisionen immer stärker auf den Prüfstand stellt und damit unserem Geschäftsmodell in die Karten spielt.

Auch ein weiterer Faktor gewinnt immer mehr an Gewicht: eine wertschätzende Unternehmenskultur. Traditionelle Großbanken sind oft anonym. Bei uns kennt der Vorstand die Namen aller Mitarbeiter und das schafft eine andere Form des Miteinanders und Vertrauens.

In einem Bewerbermarkt ist die größte Herausforderung eines Personalers, einen geeigneten Kandidaten von den Vorzügen des eigenen Unternehmens zu überzeugen. Dabei ist nicht die pfiffig formulierte Stellenanzeige das Mittel der Wahl, sondern das unmittelbare Gespräch. Personalarbeit war schon immer ein People’s Business – doch jetzt wird es noch viel persönlicher. Es ist wichtiger denn je, den Bewerber als Persönlichkeit abzuholen und seinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Für den Bereich Recruiting bedeutet das konkret, den Wertewandel innerhalb der Branche zu verstehen und darauf zu reagieren.