Wo die versteckten Talente sind

Digitalisierung verschärft den Wettbewerb um IT-Fachkräfte. Banken konkurrieren mit Technologieunternehmen und Start-ups um die klügsten Köpfe. Die ING geht jetzt in Deutschland einen alternativen Weg, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.


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Ende 2018 wurde das „Smart-Movers-Programm“ ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist es, Kollegen mit IT-Kenntnissen zu identifizieren und diese vorhandenen „versteckten“ Talente für offene Stellen im IT-Bereich zu qualifizieren. Der zunächst unkonventionelle Gedanke stieß sowohl in den Fachabteilungen als auch im Vorstand auf Interesse, denn die Lust, Neues auszuprobieren, ist bei der ING Teil der Unternehmenskultur.

Fachabteilungen und HR-Management definierten im ersten Schritt die Positionen, in die ein Quereinstieg grundsätzlich möglich erschien. Besonderes Augenmerk lag dabei auf Positionen, für die vorhandene Unternehmenskenntnisse ebenso wichtig sind wie fachliche Expertise. In unserem Fall waren das drei Berufsbilder: Business Analyst Vendor Management, Anwendungsentwickler Business Intelligence und Anwendungsentwickler Java.

Im zweiten Schritt wurde in Zusammenarbeit mit einem externen Bildungsträger ein maßgeschneidertes Weiterbildungsprogramm entworfen, das die Mitarbeiter in zwölf Monaten gezielt auf diese Positionen hin ausbildet. Die Smart-Movers-Initiative sieht von Anfang an den Direkteinstieg in die neue Funktion vor. Die Teilnehmer arbeiten ab dem ersten Tag auf den neuen Stellen und sind einem neuen Team zugeteilt.

Ein solcher Wechsel kann (nur) gelingen, wenn einerseits den Mitarbeitern das Sicherheitsnetz gewährt wird, um sich ganz auf ihre neue Herausforderung zu konzentrieren, und andererseits die Fachabteilungen die Flexibilität haben, um sich darauf einzulassen. Die Teilnehmer des Smart-Movers-Programms werden daher im ersten halben Jahr probeweise auf ihre neue Stelle versetzt und können jederzeit auf ihre alte Position zurückkehren. Nach sechs Monaten erfolgt dann eine offizielle Versetzung, die vertraglich festgehalten wird.

„Der Fokus liegt auf der Motivation“

Solch ein Change-Prozess, der von beiden Seiten Mut, Offenheit und Veränderungsbereitschaft erfordert, braucht eine umfassende Betreuung durch die Personalabteilung. Daher finden alle vier bis sechs Wochen Meetings mit allen Teilnehmern des Programms statt, in denen sie von ihren Erfahrungen berichten können. Jeder „Smart Mover“ wird von einem Mentor aus der Fachabteilung begleitet.

Zusätzlich bespricht sich die Personalabteilung alle zwei bis drei Monate mit den Mentoren, den Führungskräften und externen Trainern, um die Entwicklung jedes Teilnehmers zu reflektieren und das weitere Vorgehen festzulegen: Muss das Weiterbildungsprogramm angepasst werden oder brauchen die Mentoren zusätzliche Unterstützung?

Um die passenden Kandidaten zu finden, haben wir das Auswahlverfahren mehrstufig gestaltet. Die Stellen wurden im internen Jobportal ausgeschrieben und von einer Kommunikationskampagne flankiert. Die Bewerber konnten in einem Auswahltag in Gesprächen, bei Arbeitsaufträgen und Gruppenübungen ihre Motivation und Vorkenntnisse unter Beweis stellen. Ein Fokus liegt dabei auf der Motivation und dem Lernwillen der Teilnehmer. Die Lernbereitschaft und das agile Mindset zählen im Smart-Movers-Programm mehr als vorhandenes IT-Wissen.

Das Programm konnte in nur sechs Monaten umgesetzt werden. Im Frühjahr starteten die ersten zwölf Teilnehmer – Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen der Bank – in ihren neuen Positionen. Alles war nur dank der agilen Arbeitsweise in kleinen Sprints möglich. Nach den ersten Monaten ist das Feedback aller Beteiligten überwiegend positiv. Aktuell werden deshalb in einer zweiten Runde zwölf weitere „Smart Mover“ gesucht. Der Erfolg hat weitere Fachabteilungen bewogen, am Programm teilzunehmen.