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Die Bank als Plattform

Das Henne-Ei-Problem: Business Development Manager Hartmut Giesen über die Zukunft in der Plattform-Ökonomie, über neue Geschäftsmodelle für Banken und die Chancen, die sich daraus ergeben.


Banken in der Plattform-Ökonomie wie sieht die Zukunft aus

Die Plattform-Ökonomie setzt sich in vielen Bereichen durch. Auch in der Finanzindustrie wird seit geraumer Zeit über die Plattformisierung des Banking nachgedacht. Zum Teil leiden diese Diskussionen allerdings unter definitorischen Unschärfen, was genau mit Plattform-Geschäftsmodellen gemeint ist, zumal es in den Modellen Überschneidungen gibt. Im Wesentlichen müssen Banking-as-a-Service-Plattformen (BaaS) von zwei- beziehungsweise mehrseitigen Plattformen unterschieden werden. Banking-as-a-Service-Plattformen, wie sie zum Beispiel von der Sutor- oder der Solarisbank angeboten werden, sind jung, aber schon etabliert. Diese Plattformen ermöglichen es nicht-regulierten Unternehmen, selbst Finanzgeschäftsmodelle oder Finanzprodukte zu entwickeln, indem sie die dafür notwendigen, erlaubnispflichtigen Prozess- und Technologieelemente bieten. Zwei- oder mehrseitige Plattformen, die im Sinne der Plattform-ökonomischen Definition Produzenten von Finanzprodukten und Kunden zusammenbringen, gibt es bislang nur in Teilbereichen des Banking.

Über die Technik hinaus

BaaS-Plattformen geben den Nicht-Banken die Möglichkeit, Finanzprodukte oder -services anzubieten, ohne dass sie die dafür notwendigen Lizenzen erwerben müssen. Die Rolle von BaaS-Plattformen ist dabei breiter als die von „normalen“ Software-as-a-Service-Anbietern: Über die Technik hinaus bieten sie ihren Kunden die Bankenlizenz und das Regulierungsframework rund um Themen wie Kundenlegitimierung (KYC), Geldwäscheprävention oder Kundeninformation. Je nach Fokus bieten die BaaS-Plattformen klassische Bankprodukte wie Konten, Depots, Zahlungsprozesse, Wertpapiertransaktionen oder Kreditprozesse an, zum Teil auch komplexere Dienstleistungen wie Vermögensverwaltungen. BaaS-Plattformen spielten und spielen eine tragende Rolle bei der Digitalisierung der Finanzbranche. Nahezu jedes Fintech arbeitet im Hintergrund mit einem BaaS-Anbieter zusammen, um sein Geschäftsmodell zu realisieren. Das können
Robo Advisor, Kreditmarktplätze, (Peer-to-Peer-)Payment-Anbieter, Zinsportale oder andere Start-ups mit GeschäftsprozessElementen sein, die eine Banklizenz benötigen.

Besser in den Lebenskontext einbetten

Aus Kundensicht sorgen BaaS-Plattformen dafür, dass sich Finanzfunktionen immer besser in den Lebenskontext einbetten und dass sie sich bei Unternehmen immer tiefer in ihre Geschäftsprozesse integrieren. So können Konsumenten heute am digitalen Point of Sale sehr einfach Kredite in Anspruch nehmen, per Knopfdruck in Fonds investieren oder Geld direkt an Freunde transferieren. Unternehmen sind in der Lage, Zahlungsfunktionen direkt mit der Erbringung von Leistungen, etwa Stromlieferungen, Maschinenaktivitäten oder Transporten, zu verbinden. BaaS-Anbieter unterscheiden sich von „normalen“ Banken durch ihre technische Infrastruktur, die sie über Schnittstellen (Application Programming Interfaces, API) für Partner öffnen, und durch regulative Adaptivität, sodass sich auch innovative Geschäftsmodelle innerhalb des gesteckten Regulierungsrahmens umsetzen lassen.

Zweiseitige Banken-Plattformen

Zwei- oder mehrseitige Banken-Plattformen, die tatsächlich verschiedene Finanzprodukt-Anbieter mit Konsumenten verbinden, gibt es nur in Teilbereichen. Ein „Stück“ Plattform hat etwa die Deutsche Bank in dem „ZinsMarkt“ umgesetzt, der vom Fintech-Partner Deposit Solutions bereitgestellt wird. Der „ZinsMarkt“ bietet Kunden der Deutschen Bank an, Geld auch bei anderen Kreditinstituten anzulegen. Inzwischen hat die Bank weitere Services integriert, zu denen auch sogenannte Beyond-Banking-Angebote gehören, etwa Buchhaltungsprogramme und andere Services, die keine originären Bankdienstleistungen oder -produkte sind. Beim Wachsen lässt sich der Plattform-Ansatz im Geschäftsmodell von N26 und anderen Challenger-Banken bestens
betrachten. Plattform-Geschäftsmodelle haben immer ein „Henne-Ei-Problem“ zu lösen: Ohne hinreichend viele Konsumenten gewinnt die Plattform keine Produzenten, ohne
Produzenten ist sie für Konsumenten uninteressant. N26 konzentriert sich zurzeit darauf, mit dem kostenlosen Konto und smarter, mobiler Customer Experience weltweit Kunden zu akquirieren. Mit Millionen von legitimierten Kunden, über deren Finanzen das Unternehmen in Echtzeit sehr gut Bescheid weiß, wird N26 für Finanzprodukt- und Beyond-Banking-Services-Anbieter in Zukunft eine potenziell attraktive Plattform, ähnlich wie es Amazon für Händler ist, die von der Reichweite des Unternehmens profitieren.

Vergleichs- und Suchalgorithmen ausgebaut

Die neue C24-Bank von Check24 geht noch einen Schritt weiter und bietet auf der Check24-Plattform neben den Produkten ihrer Banken-Partner auch eigene Produkte an. Damit ist die Vergleichsplattform vielleicht auf dem Weg zur ersten tatsächlich zweiseitigen Bankenplattform. Check24 hat das Henne-Ei-Problem des Plattform-Geschäfts auf beiden Seiten bereits gelöst: Es gibt Millionen von Kunden auf der einen und viele etablierte Finanzproduktanbieter auf der anderen Seite. Die Plattform-Funktionen, mit denen Konsumenten und Produzenten zueinanderfinden, sind über die Vergleichs- und Suchalgorithmen bereits voll ausgebaut. Und auch die Zahlungsdienstleistungen, um die Geldströme auf den Plattformen zu steuern, kann Check24 mit der Banklizenz selbst abwickeln.

Marktplatz für Finanzprodukte

Auch BaaS-Banken können sich zu zweiseitigen Plattformen weiterentwickeln – nämlich dann, wenn die Partner des Nutzer-Ökosystems beginnen, miteinander zu kooperieren und ihre, alle auf der gleichen Banken-Plattform „geonboardeten“, Kunden miteinander auszutauschen. Aus Sicht der Kunden entsteht dann ein Marktplatz für Finanzprodukte, die sie relativ einfach nutzen können, ohne jedes Mal den sonst notwendigen Legitimierungsprozess durchlaufen zu müssen. Ein Beispiel: Bei der Sutor Bank werden in einem Projekt Handelsfunktionen für Kryptowerte und klassische Wertpapiere von unterschiedlichen Partnern integriert, sodass der Kunde klassische und digitale Assets in einer Umgebung handeln kann. Nicht jedes Kreditinstitut kann oder will ein PlattformGeschäftsmodell umsetzen. Wenn es aber stimmt, dass sich die Wirtschaft stark in Richtung Plattform-Ökonomie bewegt – und vieles spricht dafür – dann muss jede Bank sich strategisch darüber Gedanken machen, welche Rolle sie in dieser Ökonomie einnehmen möchte. Je früher sie dies tun, desto besser.

Tipp: Sie möchten mehr zum Trendthema Plattform? Dann erfahren Sie hier, warum in der Plattformökonomie gilt „The winner takes it all“ oder lesen Sie die Auswertung des BANKINGCLUB-Radars zum Thema „Kundenbindung in Zeiten der Plattformökonomie“.

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