Planung der eigenen Beerdigung: Mögliche Folgen des EU-Abwicklungsrahmens

„Bestattungsvorsorge – So planen Sie richtig“ titelt die Stiftung Warentest auf ihrer Homepage. Was im privaten Umfeld je nach Umständen durchaus sinnvoll sein kann, könnte im übertragenen Sinne künftig für eine steigende Zahl von Banken relevant werden.


Bankmanager der mit einer Holzwaage symbolisch Risiken abwägt
AndreyPopov

Nachdem sich der Staub der Finanzmarktkrise gelegt hatte, bestand Einigkeit darüber, in Schieflage geratene Banken nicht mehr zu Lasten der Allgemeinheit retten zu wollen. In der Abschlusserklärung des G20-Gipfels von Cannes 2011 hieß es: „Wir sind entschlossen, dafür zu sorgen, dass kein Finanzunternehmen „too big to fail“ („zu groß zum Scheitern“) ist und dass die Steuerzahler nicht die Kosten einer Abwicklung tragen sollten.“ Diese Bestrebungen mündeten 2014 in der EU-Richtlinie „Banking Recovery and Resolution Directive“ (BRRD) sowie national im „Sanierungs- und Abwicklungsgesetz“ (SAG) als „wichtiger Beitrag, um die implizite Staatsgarantie für systemrelevante Institute und damit die Fehlanreize für das Eingehen unverhältnismäßig hoher Risiken zu reduzieren“. Insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Bankenkrisen der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse erhielt das Themenfeld Abwicklungsplanung von Kreditinstituten erneut mediale Aufmerksamkeit durch die Sorge um die Stabilität des Bankensystems.

Bisher waren von den Anforderungen zur Abwicklungsplanung jedoch nur Significant Institutions (SI) unter europäischer Bankenaufsicht sowie sehr große Less Significant Institutions (LSI) unter nationaler Aufsicht betroffen. Nach aktuellen Plänen der EU-Kommission rücken perspektivisch nun jedoch auch weitere Institute in den Fokus.

Ausweitung auf kleine und mittlere Institute

Die EU-Kommission hat am 18. April 2023 einen Änderungsvorschlag des Rechtsrahmens für das Krisenmanagement und die Einlagensicherung von Banken (Crisis Management and Deposit Insurance Framework, CMDI) vorgelegt, der unter anderem die Abwicklungsplanung von kleinen und mittelgroßen Banken ins Visier nimmt. Für diese war bisher lediglich ein reguläres Insolvenzverfahren vorgesehen, da der Ausfall einzelner Teilnehmer vermeintlich kein Risiko für die Stabilität des Finanzsektors insgesamt darstellt. Nach Einschätzung der EU-Kommission hat dies in der Praxis jedoch nicht immer funktioniert. Eine zu hohe Anzahl kleinerer und mittlerer Banken seien im Ausfall noch immer mit Hilfe von Steuergeldern abgewickelt worden.

Als mögliche Ursache gilt der große Ermessensspielraum bei der Beantwortung der Frage, ob die Abwicklung einer in Schieflage geratenen Bank im öffentlichen Interesse liegt oder nicht, das sogenannte Public Interest Assessment (PIA). Das PIA hat für die Abwicklungsplanung eine zentrale Bedeutung: Kommt die Abwicklungsbehörde zu dem Ergebnis, dass bei einem Institut im Krisenfall voraussichtlich ein öffentliches Interesse an der Abwicklung besteht, wird dieses als abwicklungsrelevant eingestuft. Als Konsequenz muss dann die Abwicklungsfähigkeit hergestellt und ein ausführlicher Abwicklungsplan verfasst werden – mit den damit verbundenen hohen Aufwänden für die Abwicklungsbehörde und das betroffene Institut.

Die regionale Relevanz als neues Kriterium

Durch zwei – auf den ersten Blick eher formale – Änderungen weitet der Vorschlag der EU-Kommission diese Aufwände potenziell auch auf kleine und mittlere Kreditinstitute aus: Zum einen können „kritische Funktionen“ eines Instituts, die bei ihrem Ausfall die Unterbrechung von für die Realwirtschaft wesentlichen Dienstleistungen oder eine Störung der Finanzstabilität auslösen könnten, auch bei rein regionaler Bedeutung des Instituts vorliegen. Bisher war dafür eine mögliche Störung der Finanzstabilität auf nationaler beziehungsweise europäischer Ebene maßgeblich.

Zum anderen wird das Regel- beziehungsweise Ausnahmeverhältnis zwischen Abwicklung und Insolvenz bei der Überprüfung, ob die Abwicklung im öffentlichen Interesse steht, umgekehrt. Auf Grundlage der bisherigen Vorgaben fiel ein PIA positiv aus, wenn die Abwicklung des betroffenen Instituts höhere Erfolgsaussichten für die Wahrung der Finanzmarktstabilität aufwies als die nationale Regelinsolvenz. Jetzt kommt es quasi zu einer Umkehr der Beweislast: Eine Festlegung der Regelinsolvenz als präferierte Abwicklungsstrategie ist nur dann vorzunehmen, wenn sie die Finanzmarktstabilität besser zu gewährleisten scheint als eine Abwicklung.

Abwicklungsbehörde benötigt umfangreiche Zulieferungen

Eine mögliche Umsetzung der Vorschläge der EU-Kommission dürfte die Anzahl der als abwicklungsrelevant eingestuften LSI signifikant erhöhen. Anders als bei den vorgelagerten Sanierungsplänen ist zwar die Abwicklungsbehörde für die Erstellung der Abwicklungspläne verantwortlich, sie benötigt dafür jedoch umfangreiche Zulieferungen. Insbesondere LSI mit hoher regionaler Bedeutung könnten verstärkt betroffen sein – mit den damit verbundenen administrativen und finanziellen Aufwänden. Zum einen ist damit zu rechnen, dass Mitwirkungspflichten in erheblichem Umfang personelle Ressourcen im Institut binden durch Datenanforderungen der Abwicklungsbehörde zur Erstellung von Ergebnisdokumenten („Playbooks“), Szenarioanalysen, Testläufen („Dry Runs“) und Vor-Ort-Besuchen („Deep Dives“).

Zum anderen ergeben sich aus der Abwicklungsplanung Mindestanforderungen an die dauerhaft vorzuhaltenden Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten (Minimum Requirement of Own Funds and Eligible Liabilities, MREL), die zu deutlich erhöhten Refinanzierungskosten und somit negativen Ergebniseffekten führen können. Insbesondere für kleine, in der Regel nicht kapitalmarktorientierte Institute dürfte die Emission von zur Erfüllung der MREL erforderlichen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten eine große Herausforderung darstellen.

Dr. Daniel Baumgarten

ist Abteilungsleiter Risiko-Governance bei der Sparkasse KölnBonn.