Überarbeitung der SREP-Leitlinien

Im Rahmen des SREP-Mehrjahresplans zur Überprüfung der Angemessenheit der Kapital- und Liquiditätsausstattung von Kreditinstituten veröffentlichte die EZB Anfang des Jahres Dokumente mit detaillierteren ICAAP- und ILAAP-Leitlinien, die bei verschiedenen Verbänden auf viel Lob, aber auch auf Kritik stießen.


Die EZB hat im Zuge der Mitteilung, die Danièle Nouy (hier bei einer Pressekonferenz am 27. März 2017) im Februar veröffentlichte, detaillierte ICAAP- und ILAAP-Anforderungen herausgegeben, welche von den Instituten kommentiert werden konnten. Sie erwartet, dass Anfang 2018 ein überarbeiteter Entwurf zur Konsultation vorgelegt werden kann. Bildnachweis: European Central Bank

Mit dem Schreiben vom 20. Februar 2017 informierte die Vorsitzende des Single Supervisory Mechanism (SSM), Danièle Nouy, über eine öffentliche Mitteilung auf der Website der Europäischen Zentralbank (EZB) die bedeutenden Institute der Eurozone über das Vorhaben, den bestehenden Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) im Hinblick auf die Themengebiete ICAAP (Angemessenheit der Kapitalausstattung) und ILAAP (Angemessenheit der Liquiditätsausstattung) zu überarbeiten. Diese Überprüfung erschien dem SSM notwendig, da die europäische Bankenaufsicht bei der Durchführung des SREP-Prozesses im Jahr 2016 Verbesserungsbedarf bei einigen Banken identifiziert hatte.

Auf der Grundlage dieser Erfahrungen plant die Aufsicht nunmehr, im Rahmen eines mehrjährigen Projektes, umfassende SSM-Leitfäden zum ICAAP und ILAAP zu erarbeiten und zu veröffentlichen. Im Vorgriff auf diesen Plan wurden Anfang des Jahres Dokumente mit detaillierteren ICAAP- und ILAAP-Grundsätzen veröffentlicht, um darzulegen, welche Stoßrichtung die Bankenaufsicht in den nächsten Jahren zu verfolgen plant. Gleichzeitig bat Nouy die bedeutenden Institute um Rückmeldungen zu den veröffentlichten Grundsätzen. Es wurde seitens der Aufsicht explizit betont, dass diese Grundsätze keine Grundlage für den SREP-Prozess im Jahr 2017 darstellen. Hier gelten nach wie vor die Anforderungen der EBA GL zur Erhebung von Informationen in Bezug auf ICAAP und ILAAP als Teil des SREP (EBA/GL/2016/10).

Die Anforderungen an den ICAAP

Die zentralen Anforderungen an den ICAAP richten sich u.a. an die Ausgestaltung der jeweiligen Risikotragfähigkeitsrechnungen der bedeutenden Institute und geben Vorgaben, zum Beispiel im Hinblick auf zu betrachtende Perspektiven. Es werden konkrete Vorgaben und Erwartungen u.a. betreffend Risikoquantifizierungsmethoden, Risikokapitalbestandteilen und -qualität formuliert. Einige Aspekte dieser Anforderungen wurden bereits im Jahr 2011 durch die deutsche Bankenaufsicht im Rahmen des RTF-Leitfadens artikuliert. Als Beispiel wäre hier die äußerst konservative Berücksichtigung stiller Lasten und Reserven bei der Herleitung des Risikokapitals im Rahmen der RTF-Berechnung zu nennen. Ergänzend wird die exponierte Verantwortung des Leitungsorganes hervorgehoben und der ICAAP als integraler Bestandteil des Managementrahmens inkl. Auswirkungen auf Vergütungsstrukturen in den Instituten definiert. Weiterhin wird seitens der Aufsicht großer Wert auf Konsistenz zwischen den einzelnen Bestandteilen des ICAAP, Risikoappetit, Strategie etc. sowohl institutsintern als auch innerhalb von Institutsgruppen gelegt.

Die Anforderungen an den ILAAP

Die Grundsätze zur angemessenen Ausstattung mit Liquidität von Instituten (ILAAP) orientieren sich an vielen Stellen an den Grundsätzen zum ICAAP und wurden lediglich in Nuancen an das Themengebiet Liquidität angepasst. Hervorzuheben ist an dieser Stelle lediglich, dass die Aufsicht klare Anforderungen an die Qualität des Liquiditätspuffers stellt und großen Wert auf eine ausreichende Diversifikation der Refinanzierungsquellen legt. Diese Erwartungshaltung wurde gleichwohl in den Guidelines zum SREP geäußert.
Die „informelle“ Konsultationsphase lief zum 31. März 2017 aus. Basierend auf den Rückmeldungen und Erkenntnissen aus dem SREP-Prozess 2017 soll in 2018 eine offizielle Konsultation gestartet werden. Die erweiterten SREP-Leitlinien sollen ab dem Jahr 2019 gelten.

Verschiedene Verbände, u.a. die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), haben sich im Rahmen von Stellungnahmen weitestgehend positiv zu Aufbau und Inhalt der Leitlinien geäußert. Gleichwohl wurde zu diversen Punkten konstruktive Kritik aus Sicht der Bankenpraxis geäußert, auf welche nachfolgend auszugsweise am Beispiel der Stellungnahme der DK vom 31. Mai 2017 eingegangen wird.

Hinweise und Kritikpunkte zu den ICAAP-Leitlinien

Die DK begrüßt die Verantwortlichkeit des Leitungsgremiums im Hinblick auf die Governance im ICAAP. Dennoch weist sie darauf hin, dass eine derart enge Einbindung des Leitungsorganes spürbare prozessuale Konsequenzen für die Institute hätte. Insbesondere dabei handelt es sich bei der Kapitalplanung um einen komplexen Prozess mit verschiedenen Zulieferern. Die Freigabe der Kapitalplanung durch das Leitungsorgan muss hierbei auf belastbaren Zahlen basieren, welche sämtliche wesentlichen Einflussparameter beinhaltet. Insofern sieht sie es als erforderlich an, dass der finale SREP-Bescheid der Institute rechtzeitig eingegangen sein muss, um die Ergebnisse adäquat in den Planungsprozessen und Statements zu berücksichtigen. Gleichzeitig sieht sie die Berücksichtigung der Ergebnisse aus den ICAAP-Projektionen als mehr oder weniger allumfassende Leistungsbenchmark u.a. für die Bemessung der variablen Vergütung für zu weitgehend an. Die grundsätzliche Berücksichtigung sieht sie als zielführend an, sie sollte allerdings auf risikotragende Einheiten beschränkt werden. Die DK stellt klar, dass der Leitfaden keine detaillierteren Informationen zur Vergütung machen sollte, die bereits an anderer Stelle geregelt werden.
Neben Bedenken zu verschiedenen methodischen Aspekten der Risikotragfähigkeitsberechnung betont sie in diesem Zusammenhang insbesondere, dass sie die Berücksichtigung eines zusätzlichen Managementpuffers bei der Ermittlung des Risikokapitals als verpflichtend einzuhaltende Größe als nicht sachgerecht ansieht.

Hinweise und Kritikpunkte zu den ILAAP-Leitlinien

Es macht aus Sicht der DK den Anschein, als ob die Inhalte von BCBS best practises und expectations im Rahmen der ILAAP-Leitlinien gleichrangig neben Gesetze gestellt werden. Die hierbei implizit geforderte Einhaltung finaler Baseler Rahmenwerke würde eine erhebliche Ausweitung der Anforderungen bedeuten und europäische Anpassungen im Hinblick auf die Umsetzung der Rahmenwerke konterkarieren, da die Rahmenwerke teilweise im Widerspruch zu den europäischen Anpassungen in der Umsetzung stehen. Neben der Kritik, dass die Leitlinien den Eindruck erwecken, dass Limitüberschreitungen nicht geduldet werden dürften, bemängelt die DK, dass die Leitlinien vor dem Hintergrund des Vorhaltens eines Liquiditätspuffers den Zeitraum von einem Jahr als kurzfristig ansehen und somit im Widerspruch zu den Begriffsdefinitionen gemäß EBA/GL/2014/13 stehen.

Zum Ende der Stellungnahme bemängelt die DK, dass die Modellentwicklung und Validierung nicht wie in dem Mehrjahresplan gefordert ausschließlich durch die Risikokontrollfunktion, sondern vielmehr – weiter gefasst – durch das Controlling/Risikocontrolling als Bereich oder Abteilung wahrgenommen werden sollte.

Maßgeblicher Handlungsbedarf

Eine Konkretisierung der bislang eher global formulierten SREP-Leitlinien ist auch aus der persönlichen Sicht des Autors durchaus sinnvoll. Gleichwohl ist an diversen Stellen noch ein wenig Feinschliff erforderlich, um den betreffenden Kreditinstituten ein praxisnahes Werk zur Vorbereitung auf den SREP-Prozess an die Hand zu geben. Maßgeblichen Handlungsbedarf sieht der Autor vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung der Risikotragfähigkeit im Rahmen der Banksteuerung in der Ausgestaltung des jeweiligen Modells. Hier ist noch ein Ausgleich zu finden zwischen hinreichend konservativer Ausgestaltung des Modells und der Vermeidung des übermäßigen Einschneidens in der Handlungsfähigkeit und Geschäftstätigkeit. Risikominimierung ist ein zentraler Baustein einer effektiven Banksteuerung. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass Risikomodelle nicht derart konservativ ausgestaltet sind, dass ein effektives und letztendlich auch überlebenswichtiges Fortführen der eigenen Geschäftstätigkeit kaum mehr möglich ist. Es muss gewährleistet sein, dass die Ausgestaltung des Risikotragfähigkeitsmodells konsistent zur dahinterliegenden „Story“ ist, was insbesondere Auswirkungen auf die Zusammensetzung und Anrechenbarkeit von Kapitalbestandteilen im Rahmen der Risikokapitalermittlung hat.

Aufsicht und Bankenverbände müssen kooperieren

Hier besteht noch einiges an Diskussionsbedarf mit der Aufsicht, da offensichtlich noch Unklarheiten beziehungsweise ein „Überzeichnen“ der Aufsicht vor dem Hintergrund konservativer Pufferausgestaltungen droht. Sicherlich ist ein Krisenausbruch wie in den Jahren rund um die Finanz- und Staatsschuldenkrise mit Beteiligung des Steuerzahlers zwingend zu verhindern, ebenso muss bei der Ausgestaltung der regulatorischen Anforderungen darauf geachtet werden, dass Kreditinstitute in den richtigen Feldern – nämlich vornehmlich in der Unterstützung der Realwirtschaft – handlungsfähig und im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben.

Dieses Ziel kann nach Ansicht des Autors nur erreicht werden, wenn Aufsicht und Bankenverbände gemeinsam arbeiten und ein für alle Beteiligten zufriedenstellendes Ergebnis erreichen.