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„Versicherer sind viel zu weit weg vom Kunden“

In diesen Tagen wird wieder intensiv über Kooperationsmodelle zwischen Banken und Versicherungen diskutiert. Über das Thema Bancassurance sprachen wir mit Dr. Marco Adelt, der mit seinem Insurtech CLARK an der Schnittstelle der beiden Branchen agiert.


Dr. Marco Adelt ist Mitgründer und Geschäftsführer des Insurtechs CLARK. Der Versicherungsfachwirt arbeitete zuvor zehn Jahre lang bei Unternehmensberatungen.
Dr. Marco Adelt ist Mitgründer und Geschäftsführer des Insurtechs CLARK. Der Versicherungsfachwirt arbeitete zuvor zehn Jahre lang bei Unternehmensberatungen.

BANKINGNEWS: Nach dem Fiasko um Dresdner Bank und Allianz ebbte die Euphorie für die Themen Allfinanz und Bancassurance ab. Was hat sich geändert, dass heute von einer Renaissance dieser Konzepte gesprochen wird?

Dr. Marco Adelt: Die Idee, Versicherungen über den Bankschalter zu verkaufen, ist in der Tat alles andere als neu. Manche Ansätze sind gescheitert, andere tragen heute noch zu einem einträglichen Geschäft bei. Für Lebensversicherungen etwa ist der Bankvertriebsweg signifikant. Es gibt jedoch keinen Ansatz, der das Maximum aus der Kundenschnittstelle herausholt. Die Versicherungsindustrie ist viel zu weit weg vom Kunden, weil sie zu produktzentriert denkt. Es wird derzeit intensiv nach Lösungen für das beschriebene Dilemma gesucht. Ich würde aber nicht von einer Renaissance der Bancassurance sprechen.

Der Versicherungsbranche wird nachgesagt, dass sie in Sachen Digitalisierung großen Nachholbedarf hat. Können Sie das bestätigen?

Banken haben die digitale Transformation schon lange eingeläutet und sind wesentlich weiter als die Versicherungsunternehmen – beziehungsweise nutzen Bankkunden deutlich mehr digitale Services als Versicherungskunden. Jeder Zweite nutzt Online-Banking, aber nur zehn Prozent der Versicherungsprodukte werden online abgeschlossen. Ein Grund dafür ist, dass der Versicherungsvertrieb und die Beratung maximal dezentral stattfinden. Banken haben hingegen einen guten Mix aus einem zentralen Angebot, sprich Online-Banking, und einem dezentralen Angebot, ihren Filialen. Für dieses Zusammenspiel haben wir in der Versicherungsbranche noch keine richtige Antwort gefunden.

Vor zwei Jahren sagte uns Ihr CEO Christopher Oster, dass er sich wünsche, „dass der Austausch mit den Versicherungsunternehmen komplett digital erfolgt“. Ist sein Wunsch in Erfüllung gegangen?

Das steht weiterhin auf unserer Wunschliste. Für den digitalen Austausch brauche ich einen Standard. Besonders wenn man wie wir mit sehr vielen verschiedenen Unternehmen zusammenarbeitet. Leider hat sich für Versicherungen noch kein branchenweiter Standard durchgesetzt.

Sie haben die Gelegenheit, das Trendthema Bancassurance mit Marco Adelt zu vertiefen: am 16.09.2019 beim BANKINGCLUB-Forum „Ertragssteigerung durch digitale Bankkooperationen“ in Berlin. Dort stehen mit auf der Bühne: Thorsten Hahn (BANKINGCLUB) Norbert Porazik (Fonds Finanz) und Max Schertel (N26).

Wer treibt Ihrer Erfahrung nach die Themen digitale Plattformen und Ökosysteme sowie Bancassurance am stärksten voran?

Das ist sehr unterschiedlich. Es kann von Versicherungen, Banken oder Dritten kommen. Ich habe sowohl auf Banken- als auch auf Versicherungsseite passive und aktive Akteure erlebt. Es kommt auf den Manager an, also auf den Menschen, der die Entscheidungen trifft. Es gibt die Bewahrer des Status quo, die Opportunisten, die Strategen und die Mutigen, die ganz neue Wege gehen wollen.

Wer profitiert am meisten von den Ansätzen – Banken oder Versicherungen?

Ich glaube, dass eine Win-win-Situation entsteht. Banken können ihr Provisionsergebnis deutlich steigern. Und für Versicherer ist der Bankvertriebsweg ein signifikanter Zubringer von Neugeschäft.

Bei Amazon gab es immer wieder Anzeichen, dass sie sich im Bereich des Versicherungsvertriebs engagieren werden. Wird Amazon irgendwann der größte Makler – oder sogar Anbieter – von Versicherungen?

Kurz- und mittelfristig nicht, wie ich glaube. Wenn sie es wollten, hätten sie es schon getan. Sie haben sich bewusst dagegen entschieden, in dieses Geschäftsfeld einzusteigen, weil es international nicht skalierbar ist. Länderspezifische Lösungen sind für uns als deutscher Makler spannend, aber nicht für globale Konzerne wie Amazon oder Google.

Interview: Philipp Scherber