E-Commerce-Tag Offenburg

Die Digitalisierung bietet Herausforderungen und Chancen für Handel und Banken. Auf dem E-Commerce-Tag in Offenburg diskutierten über 200 Teilnehmer über Multikanal-Vertrieb, Geschäftsmodelle und Weiterbildungsmöglichkeiten. BANKINGNEWS-Redakteur Philipp Scherber sprach mit den Veranstaltern ibi Research und der Volksbank Offenburg sowie der Hochschule Offenburg als Tagungsteilnehmerin.


Hauptveranstalter des E-Commerce-Tags am 17. Februar 2016 war die ibi Research an der Universität Regensburg GmbH. Das Institut betreibt Forschung und Beratung zum Thema Finanzdienstleistungen. Dr. Georg Wittmann (Foto l.o.) ist Research Director bei ibi research. Er forscht und berät im Bereich der digitalen Transformation mit den Schwerpunkten B2C- und B2B-E-Commerce sowie E-Payment, E-Finance, Online- und Social-Media-Marketing. Der Dipl.-Kfm. ist außerdem Projektleiter der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten Mittelstand 4.0-Agentur Handel.

BANKINGNEWS: Welches Konzept stand hinter dem E-Commerce-Tag in Offenburg?

Georg Wittmann (ibi research): Der E-Commerce-Tag in Offenburg stand ganz im Zeichen der zunehmenden Digitalisierung des elektronischen Handels. Dabei ging es nicht nur um technische Lösungskonzepte, sondern auch um organisatorische Aspekte, die den E-Commerce bzw. den Handel generell auszeichnen. Durch verschiedene Formate und eine Bandbreite an Themen, wie Marketing, Payment oder auch die Nutzung von Marktplätzen, wollten wir so viele Interessenten wie möglich abholen und an diesem Tag zusammenführen. Ziel war es, den Teilnehmern der Veranstaltung aufzuzeigen, wie man die Chancen der Digitalisierung durch geeignete Strategien nutzen kann – unabhängig davon, ob es sich um ein großes oder ein kleines Unternehmen handelt.

„Die Volksbank als Multiplikator“

Warum war es wichtig für Sie, ein Kreditinstitut als Mitveranstalter an Bord zu haben?

Mit der Volksbank Offenburg hatten wir auf der einen Seite einen sehr guten Multiplikator aus der Region mit an Bord und zum anderen ein sehr innovatives Kreditinstitut, dass sich auch schon seit längerem mit der Digitalisierung im Allgemeinen und im Speziellen mit den Chancen und Herausforderungen des Handels beschäftigt. Zudem ist es immer wieder sehr spannend, auch die Banking- und Paymentthemen in diesem Kontext zu betrachten.

Welche Vorteile ergeben sich durch die Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Banken und Dienstleistern?

Der E-Commerce-Tag stellt eine innovative Plattform dar, bei der sich Teilnehmer aus den genannten Institutionen und Organisationen direkt und unkompliziert austauschen können. Bei der Vielzahl an Vorträgen ist es sehr interessant, E-Commerce-Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachtet: Banken und Dienstleister sehen beispielsweise andere Erfolgsfaktoren für den Online-Handel als Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Zudem wollten wir den regionalen Akteuren auch die Chance geben, ihr Netzwerk zu zeigen und zu erweitern.

„Die Banken dürfen den Kundenkontakt nicht verlieren“

Welche Risiken und Chancen für die Zukunft des E-Commerce, vor allem für die Finanzbranche, haben sich auf dem Kongress herauskristallisiert?

Der Zahlungsverkehr, jahrelang eine Domäne der Banken und Sparkassen, wird von vielen Händlern nicht mehr bei diesen gesehen, sondern viel mehr bei spezialisierten Unternehmen wie Payment Service Providern oder direkt bei Zahlulngsverfahrensanbietern wie PayPal, Klarna oder auch Mastercard und VISA. Hier müssen die Banken besonders aufpassen, dass sie nicht den Kundenkontakt sowie die Erträge aus diesem Geschäft verlieren. Zudem haben diese Erträge in den letzten Jahren aufgrund der aktuellen Zinssituation wieder an Attraktivität gewonnen.

Sind weitere Veranstaltungen dieser Art in anderen Regionen Deutschlands geplant?

Der E-Commerce-Tag wird jährlich in verschiedenen deutschen Städten stattfinden. Die nächsten Veranstaltungen finden am 15.06. in Mannheim und am 27.10.16 in Regensburg statt.
Die Hochschule Offenburg war als Teilnehmerin auf dem E-Commerce-Tag vertreten. Sie kooperiert u.a. mit  der Volksbank in der E-Com-Region Ortenau. Prof. Dr. Winfried Lieber (Foto l.u.) ist seit 1996 Rektor der Hochschule Offenburg. Seit 2004 sitzt er im Vorstand der Rektorenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg und seit 2007 im Senat der Hochschulrektorenkonferenz. Nach dem Studium der Elektrotechnik promovierte er zum Dr.-Ing. Bis 1992 arbeitete er im Unternehmensbereich Öffentliche Kommunikationsnetze der Siemens AG. Prof. Dr. Thomas Breyer-Mayländer (Foto r.u.) ist Professor für Medienmanagement und Prorektor für Marketing und Organisationsentwicklung an der Hochschule Offenburg. Der Dipl.-Wirt-Ing. (FH) und Dipl.-Inf.-Wiss. hat im Bereich Medienökonomie promoviert und war vor seiner Hochschultätigkeit Referent beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger in Bonn und zuletzt Geschäftsführer der Zeitungs Marketing Gesellschaft in Frankfurt.

BANKINGNEWS: Die Hochschule Offenburg bietet ab dem Sommersemester 2016 einen Masterstudiengang „Dialogmarketing und E-Commerce“ an. Warum ist es für mich als Bank sinnvoll, einen Absolventen dieses Fachs einzustellen?

Winfried Lieber (Hochschule Offenburg): Die Transformation der Geschäftsmodelle im Bankensektor wird sich im Rahmen der Digitalisierung weiter beschleunigen. Auch deshalb ist der Bereich Dialogmarketing und E-Commerce zunehmend in den Fokus der Banken gerückt. Die Zielgruppenansprache im Rahmen des Dialogmarketings ist bereits heute fester Bestandteil beim Einsatz und der Nutzung verschiedener Kanalstrukturen von einer Multi-Channel- bis hin zu Omni-Channel-Strategien. Diese Kompetenzen sind in der klassischen Bank nicht oder nur unzureichend vertreten.

Welchen Praxisbezug bietet der Studiengang konkret?

Thomas Breyer-Mayländer (Hochschule Offenburg):  Entsprechend dem Profil einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften zeichnen sich unsere Studiengänge durch eine hohe berufliche Relevanz aus, das heißt die Gewichtung von Wissenschafts-, Anwendungs- und Praxisbezug folgen einer starken Arbeitsmarktrelevanz mit internationalen Standards. Dies gilt ganz besonders auch für den Studiengang „Dialogmarketing und E-Commerce“, der bereits zu Beginn von unterschiedlichen Firmen aus der Praxis begleitet wurde, die sich zur „E-Com Region Ortenau“ zusammengefunden hatten. Neben Praxisprojekten in der Lehre sorgen vor allem die Abschlussarbeiten in Kooperation mit den Unternehmen für eine besondere Praxisnähe.

„Verzahnung des Studiums mit der Praxis“

Wie profitieren die Studierenden von der Kooperation mit der Volksbank?

W.L.: Ein wichtiger Baustein zur Gestaltung von Studienumfeld und der Curriculum-entwicklung ist eine enge Verzahnung mit dem Beschäftigungssystem. In diesem Sinn profitieren unsere Studierenden grundsätzlich von der engen Verzahnung der Volksbank Offenburg mit der Hochschule. So war der Vorstandsvorsitzende Markus Dauber als Vertreter der Berufspraxis Mitglied beim Konzept-Audit, in dem das Curriculum auf praktische Erfordernisse abgeprüft wurde. Des Weiteren stellt die Volksbank durch Beispielfälle oder konkreten Themenstellungen in Projektarbeiten und Abschlussarbeiten eine starke Vermittlung von Praxiserfahrung und Schlüsselkompetenzen sicher, die eng mit der geforderten großen Berufsqualifizierung verflochten ist.

„Das Masterstudium als berufsbegleitende Weiterbildung und Neuausrichtung“

Ist der Masterstudiengang auch als Weiterbildungsmöglichkeit für Bankmitarbeiter interessant, die schon länger im Beruf sind?

T.B.M.: Der Studiengang eignet sich insbesondere für die Neuausrichtung von Mitarbeitern auf neue Arbeits- und Verfahrensweisen, das heißt die Planung, Konzeption und Umsetzung von Digitalisierungsprojekten. Künftig werden zunehmend IT- und E-Commerce-Kompetenzen für die flexible Weiterentwicklung von Arbeitsgebieten erforderlich sein.

Bietet Ihre Hochschule außerdem berufsbegleitende Weiterbildungen an, um Bankmitarbeiter auf die Herausforderungen der digitalen Transformation vorzubereiten?

W.L.: Wir bieten über das hochschuleigene Institut für Wissenschaftliche Weiterbildung (IWW) Zertifikatskurse für Einzelthemen. Im Bereich der Masterstudiengänge ist der Parttime Master of Business Administration (MBA) für die Zielgruppe der Banker interessant, die im Bereich General Management Vertiefungsmöglichkeiten in den Bereichen Change, Geschäftsmodelle,  App-Entwicklung etc. nutzen können. Dabei wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass Digitalisierungsprojekte sehr starke Führungs- und Managementkomponenten haben.

Die Volksbank Offenburg agierte als Mitveranstalter und diskutierte in Person von Markus Dauber (Foto r.o.) über die Herausforderungen an den E-Commerce-Mitarbeiter der Zukunft. In der „E-Com-Region Ortenau“ kooperiert die Bank außerdem mit Unternehmen und der Hochschule Offenburg, um den Standort attraktiv zu gestalten und Mitarbeiter zu förden. Markus Dauber ist Vorstandsvorsitzender der Volksbank Offenburg. Außerdem sitzt er in mehreren Kommissionen und Beiräten der Genossenschaftsbanken und deren Verbänden, im Kuratorium der Hochschule Offenburg sowie im Aufsichtsrat der Wirtschaftsregion Offenburg-Ortenau. Der Dipl.-Kfm. absolvierte ein weiteres Studium zum MBA mit Schwerpunkt Financial Services Industry. Dauber agiert zudem als Referent an der Akademie Deutscher Genossenschaften.

BANKINGNEWS: Was waren die Beweggründe für die Volksbank, als Mitveranstalter des E-Commerce-Tags zu agieren?

Markus Dauber (Volksbank Offenburg): Die Volksbank Offenburg ist mit ihren Tochterunternehmen (First Cash Solution Vertriebs-GmbH, POS-Cash-Service GmbH, SanitasCard GmbH) einer der größten Anbieter von Acquiring- und Netzbetriebsleistungen im stationären, aber auch im E-Commerce-Geschäft. Sie ist innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe sowie im gesamten deutschsprachigen Raum erfolgreich tätig. Von daher sind wir tief in dieser Industrie vernetzt. Auf der anderen Seite sind wir regionale Hausbank und Partner sehr erfolgreicher Unternehmen, die im E-Commerce-Geschäft einen oder den Vertriebsweg  betreiben. Gemeinsam mit unseren Partnern (Wirtschaftsregion Ortenau (WRO), Printus, Burda-Digital, RSB, EDEKA-Südwest, Stadt Offenburg sowie der Hochschule Offenburg) sind wir Initiator und Mitbegründer des Netzwerkes „E-Com-Region Ortenau“. Gemeinsam wollen wir sowohl auf das E-Com-Cluster in der Ortenau aufmerksam machen, aber insbesondere auch in enger Zusammenarbeit mit der Hochschule Offenburg qualifizierte, junge Menschen akademisch ausbilden und bei Top-Arbeitgebern in der Ortenau eine Perspektive geben. Die Ortenau bietet exzellente Möglichkeiten in einer der lebenswertesten Regionen Deutschlands!

„Wir brauchen Menschen und keine EDV-Nerds“

Auf dem Kongress wurde folgende Frage gestellt: „Der E-Commerce-Mitarbeiter der Zukunft – was braucht er und wo gibt’s ihn?“ Welche Antworten konnten Sie erarbeiten?

Ganz generell gilt, dass die beste Antwort auf die Digitalisierung eine lebenslange Qualifizierung ist. So können Berufsausbildung und/oder Studium nur die Startaufstellung in eine erfolgreiche Karriere sein. Erfolgreich wird sein, wer sich und sein Wissen exzellent mit Kollegen und anderen Kompetenzen vernetzen kann. Wer begeistert statt ängstlich den Chancen der Digitalisierung begegnet. Hierzu bedarf es einer hohen Kommunikationsfähigkeit und Bereitschaft für den interdisziplinären – auch unternehmensübergreifenden – Dialog. Für die Digitalisierung brauchen wir Menschen und keine EDV-Nerds.

„Wir nutzen die Schwarmintelligenz unserer Organisation“

Wie bereiten Sie Ihre eigenen Mitarbeiter auf diese Herausforderungen vor? Haben Sie spezielle Weiterbildungsprogramme?

Wir binden Mitarbeiter sehr konkret in die Unternehmensentwicklung ein und rufen bewusst interdisziplinär die vielschichtigen Kompetenzen unserer Mitarbeiter ab. Wir nutzen ganz bewusst und sehr systematisch die Schwarmintelligenz unserer eigenen Organisation. Selbstverständlich gibt es auch Schulungsangebote für unsere eigenen Systeme und Anwendungen. Wir erwarten aber insbesondere, dass sich unsere Mitarbeiter für unsere digitalen Angebote, Instrumente, Apps etc. genauso interessieren wie unsere Kunden.

Wie kann Ihr Haus von der Kooperation mit der Hochschule Offenburg und regionalen Unternehmen profitieren?

Die Kooperation dient beiden – Unternehmen und Hochschule. Ich selbst bin als Kurator tief in der Hochschule vernetzt. Wir selbst stellen Stipendien bereit, laden regelmäßig Studierende zu Exkursionen in unsere Bank ein und halten Vorträge „aus der Praxis für die Praxis“  im Rahmen der Vorlesungen. Wir als Bank profitieren natürlich davon, dass wir den Zugang zu den qualifizierten jungen Menschen (er)halten und uns als innovativer und attraktiver Arbeitgeber oder auch künftiger Bank- bzw. Geschäftspartner positionieren. Aber auch kulturell passiert doch einiges, wenn wir die Dynamik und die Power der jungen Menschen zu uns einladen – im vermeintlichen „old economy-banking“. Die Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Veränderung und den jungen Menschen macht Lust auf Zukunft!

Vertrauen Sie im E-Commerce auf die hauseigene Innovationskraft oder sehen Sie Kooperationen z.B. mit Fintechs als notwendig an, um den Bedürfnissen der Kunden in Zukunft gerecht zu werden?

Ich verwende gerne den Begriff der „dynamischen Netzwerke“ und würde die Zusammenarbeit gar nicht allein auf die Fintechs beschränken wollen, sondern ganz bewusst auch „etablierte“ Unternehmen mit in diesen Gedanken einbeziehen.

„Wir brauchen stabile Partner“

Das Zusammenspiel „Bank“ und „Fintech“ beinhaltet eher substitutive Elemente – der Gedanke der „dynamischen Netzwerke“ dagegen eher Mehrwert-/Nutzengenerierung für Kunde, Bank und Netzwerkpartner. Wir erweitern den Kooperationsgedanken damit deutlich. Was wir brauchen, sind „stabile Partner“! Es gibt aber nur sehr wenige Fintechs, die eine auch nur annähernd ausreichende wirtschaftliche Basis schaffen, die eine strategische Zusammenarbeit ermöglicht. Oft sind sie sehr in ihre eigenen technischen Lösungen verliebt und verlieren meist den Blick für die Kunden sowie deren Zahlungsbereitschaft und gefährden nicht selten dadurch auch die Zukunftsfähigkeit ihrer eigenen Unternehmen. Vom „drauflegen“ können auch diese Unternehmen nicht dauerhaft leben – Venture Capital hin oder her!