Erfolgreiche Digitalisierung erfordert neue Prozessmanagement-Ansätze

Meist wird das Thema Geschäftsprozessmanagement vor allem mit Effizienz, Qualitätsverbesserungen und Compliance in Verbindung gebracht. Doch was leistet das Prozessmanagement für die Bewältigung der dramatischen und rasanten Veränderungen, die die fortschreitende Digitalisierung aller Bereiche mit sich bringt?


Die Basis, um den Veränderungen Herr zu werden, ist ein effizientes Prozessmanagement. Bildnachweis: iStock.com/raffaelemontillo

Tatsächlich ist die systematische Beschäftigung mit den Geschäftsprozessen eine wesentliche Voraussetzung dafür, den Unternehmen die notwendige Flexibilität und Adaptivität zu verschaffen, um Digitialisierungsinitiativen umzusetzen. Schließlich muss das Nutzenversprechen eines Geschäftsmodells auch eingelöst werden. Und dafür sind die Geschäftsprozesse zuständig.

Gefragt sind Schnellboote statt Projekttanker

Herkömmliche Projekte zur Analyse und Neugestaltung von Prozessen sind allerdings meist recht schwergewichtig, und sie dauern zu lange, um die heute erforderliche Änderungsgeschwindigkeit zu gewährleisten. In der digitalen Welt werden daher neue Konzepte für das Prozessmanagement benötigt. Zum einen muss es ohne großen Aufwand möglich sein, bestehende Prozesse zu verändern. Zum anderen erfordern innovative Geschäftsmodelle die schnelle Entwicklung und Implementierung neuer Prozesse.
Moderne Prozessmanagement-Konzepte fokussieren dabei weniger auf die Innensicht des Unternehmens. Sie stellen vielmehr das Kundenerlebnis in den Vordergrund und fragen, welche Verbesserungsmöglichkeiten es an den „Customer Touch Points“ gibt, also an den Stellen, an denen der Kunde mit dem Unternehmen direkt in Kontakt tritt. So kann mit Hilfe des „Customer Journey Mapping“ untersucht werden, welche positiven und negativen Erfahrungen die Kunden an den einzelnen Kontaktpunkten machen. Hieraus lässt sich erkennen, an welchen Stellen es sich besonders lohnt, die existierenden Prozesse zu verbessern.

Agile Methoden als Chance

Für die Entwicklung und Umsetzung solcher Prozessverbesserungen kommen zunehmend agile Methoden zum Einsatz. Hierbei entwickeln kleine Prozessteams selbstständig Prozessänderungen und setzen diese auch direkt um. Dies erfolgt in kurzen Zyklen mit einer feststehenden Dauer von wenigen Wochen. Am Ende eines jeden Zyklus steht ein veränderter Prozess, der bereits konkret ausgeführt wird – entweder testweise oder tatsächlich im produktiven Betrieb. Probleme und weitere Verbesserungspotenziale, die hierbei erkannt werden, kann das Team im nächsten Iterationszyklus berücksichtigen. Auf diese Weise lassen sich Prozesse sehr schnell anpassen und verbessern.
Digitalisierung bedeutet auch, dass sämtliche Standardprozesse möglichst weitgehend automatisiert werden. Moderne BPM-Systeme erlauben es, Prozesse aus fachlicher Sicht zu modellieren und sehr schnell zur Ausführung zu bringen. Meist wird ein „low-code“-Ansatz verfolgt, der den Implementierungsaufwand deutlich verringert. Sind andererseits Altanwendungen im Unternehmen vorhanden, deren Integration mit herkömmlichen Mitteln sehr aufwändig wäre, stellen Systeme zur „Robotic Process Automation“ (RPA) eine Alternative dar. Hierbei bedienen Software-Roboter die existierenden User Interfaces der Altanwendungen und übertragen beispielsweise Daten von einem System ins andere.

Neue Rollenbilder auch für Bankorganisatoren

In solchen Szenarien werden Mitarbeiter nicht mehr für Routineaufgaben eingesetzt. Komplexe, wissensintensive Tätigkeiten werden hingegen auf lange Sicht von Menschen ausgeführt. Solche Aufgaben lassen sich nicht in starre Ablaufdiagramme pressen. Stattdessen wird vermehrt das Konzept des Adaptive Case Management (ACM) angewandt, das den Mitarbeitern den erforderlichen Freiraum zur individuellen Bearbeitung der einzelnen Fälle lässt. Spezielle ACM-Systeme unterstützen sie dabei, indem sie jeweils sinnvolle Aktionsmöglichkeiten anbieten, fallbezogene Informationen bereitstellen und die Einhaltung von Regeln sicherstellen.
Die verschiedenen zur Prozessausführung eingesetzten Systeme produzieren umfangreiche Daten über das Prozessgeschehen. Process-Performance-Systeme werten diese Daten aus und stellen sie in Echtzeit für die Steuerung der Prozesse und der eingesetzten Ressourcen zur Verfügung.
Insgesamt erweitert sich das Methodeninstrumentarium des Prozessmanagements. Wichtig ist ein abgestimmter Methodeneinsatz, der stark strukturierte Standardprozesse genauso berücksichtigt wie schwach strukturierte, wissensintensive Prozesse, und sowohl eine systematische Gestaltung komplexer Kernprozesse als auch eine sehr flexible Anpassung kundenbezogener Prozesse ermöglicht.