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„Willkommen beim Rudern“

MiFID II um ein Jahr verschoben. Aufatmen bei den Banken ob der gewonnen Zeit. Oder doch eher Verärgerung über die Verzögerung? Die Meinungen der Teilnehmer gingen in diesem Punkt durchaus auseinander. Neben der Umsetzung von MiFID II referierten Banker und Dienstleister auf dem Fachkongress COMPLIANCEforBANKS zu den Themen Identitätsprüfung, Steuerschlupflöcher, Big Data, Datenschutz und Missbrauch…


„Wer ist froh, dass MiFID II verschoben wurde?“ Eine beachtliche Anzahl an Händen ging bei dieser Frage zu Anfang des ersten Kongresstages in die Höhe. Die Entscheidung der Europäischen Kommission über einen Aufschub auf Januar 2018 wurde damit begründet, dass die Marktteilnehmer und die zuständigen Behörden nicht in der Lage seien, die komplexen technischen Anforderungen bis zum ehemals geplanten Start adäquat umzusetzen.

Im Laufe der beiden Kongresstage differenzierte sich das Bild jedoch. Patrick Arora von der Deutschen Börse AG begrüßte die Entscheidung einerseits, gab andererseits jedoch zu bedenken, dass dadurch bereits angelaufene Prozesse auseinandergerissen werden. Die Kritik von Andreas Gehrke (ABN AMRO) fiel schärfer aus: Er kritisierte die Verschiebung mit der Begründung, dass die Kosten für die Umsetzung nun zwangsläufig steigen würden.

Als konkretes Beispiel für eine eher negativ beurteilte Vorgabe wurden Produktinformationsblätter für Kunden angeführt. Ganz abgesehen davon, dass der Kunde nicht bei jeder kleine Änderung einen neuen Stapel Infoblätter vorgelegt bekommen möchte, kann der Aufwand minimiert werden, wenn diese Blätter sich nicht auf einzige Produkte, sondern Produktgruppen bezögen.

Vorgaben der Politik kritisch hinterfragen

Nicht nur an diesem Punkt lautete der Appell an die Banken, nicht alle Vorgaben still hinzunehmen, sondern sie zu hinterfragen. Auf diese Weise kann MiFID II dazu führen, dass alte Prozesse und Produkte neu evaluiert und reflektiert werden – letztlich zum Vorteil des eigenen Hauses.

Die Diskussion konzentrierte sich nicht nur auf die zeitliche Dimension von MiFID II. So wurde ebenfalls das Risiko angesprochen, dass der intendierte Anlegerschutz bei allem guten Willen auch nach hinten losgehen könne. Mehr Regulation bedeutet nicht gleichzeitig einen Vorteil für den Kunden. Dies liegt tief in einem grundsätzlichen Widerspruch der Politik begründet, die die Regulation erhöht und gleichzeitig erwartet, dass die Menschen ihr Geld investieren, statt es unter dem sprichwörtlichen Kopfkissen zu horten.

Big Data in der Compliance

Bezogen auf die Bankbranche sei „Compliance einer der wenigen Use Cases für Big Data“ erläuterte Patrick Töniges (SAS) in seinen Ausführungen zu Automatisierungsansätzen in der übergreifenden Risikoanalyse. Die Vereinheitlichung und Systematisierung von großen Datenmengen durch entsprechende Technologien waren durchgehend Schwerpunkte in den Vorträgen der anwesenden Dienstleister. Gerade die Compliance-Abteilungen eines Kreditinstituts sind auf die schnelle und valide Zugänglichkeit von Informationen über Kunden, Geschäftspartner und Beteiligungsstrukturen angewiesen. Die Extrahierung, Verknüpfung und Visualisierung von Identitäten kann in diesem Prozess zum Beispiel durch eine Entity Resolution-Software erheblich erleichtert werden, wie Holger Stutzke von Pitney Bowes darlegte.

Schreckensszenario: Terrorismusfinanzierung über Flüchtlingskonten

Vor einem besonders schwerwiegenden Problem stehen die Banken in Zeiten der Flüchtlingskrise: Um am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen zu können, benötigen Asylsuchende ein Konto – so weit, so richtig. Die Bafin hat aus diesem Grund die Anforderungen an die Legitimationsdokumente bei der Kontoeröffnung für Flüchtlinge übergangsweise gelockert. Das Worst-Case-Szenario stellt sich aus Sicht der Banken so dar, dass Terroristen dies ausnutzen, um die Finanzierung ihrer Aktivitäten unter falscher Identität über ein deutsches Konto laufen zu lassen. Nun stellt sich für die Bank folgende Frage: Vermeide ich dieses Risiko konsequent, indem ich keine Flüchtlingskonten zulasse, und widersetze ich mich damit der Vorgabe der Bafin? Oder setze ich diese um und verstoße damit gegen meine eigenen Compliance-Richtlinien. Carsten Lang (Rechtsanwalt bei der European Bank for Financial Services GmbH) diskutierte diese Fragen und stellte den Entwurf zu einem Zahlungskontengesetz (ZKG) und einer Identitätsprüfungsverordnung vor.

Unvermeidlich bei der Nutzung von Big Data ist immer auch die Beschäftigung mit Datenschutzbestimmungen. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings genauso zwangsläufig. Arne Brand von der Nordea Bank beleuchtete die aktuelle Lage des Datenschutzes in Europa und stellte fest: Man ist „vernetzt und doch allein“. Die Schwierigkeiten und Herausforderungen in der Umsetzung der auf dem Kongress diskutierten Richtlinien und Gesetze betreffen wiederum alle Institute. Und so resümierte Andreas Gehrke: „Wir sitzen alle in einem Boot. Willkommen beim Rudern!“

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