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Innerbetriebliche Ampelmännchen

In rot und grün sollen die Leistungen deutscher Mitarbeiter bewertet werden. Arbeitgeber freuen sich, Arbeitnehmer sehen rot. Aus der Schule kennen wir schon Bewertungssysteme. Dort wurde mit Hilfe von Noten von 1 bis 6 die Leistung beurteilt. Mit dieser Leistungsmessung werden Schüler hauptsächlich in Konkurrenz zueinander gesetzt. Die Folgen sind oftmals Druck und Demotivation. Denn…


In rot und grün sollen die Leistungen deutscher Mitarbeiter bewertet werden. Arbeitgeber freuen sich, Arbeitnehmer sehen rot.

Aus der Schule kennen wir schon Bewertungssysteme. Dort wurde mit Hilfe von Noten von 1 bis 6 die Leistung beurteilt. Mit dieser Leistungsmessung werden Schüler hauptsächlich in Konkurrenz zueinander gesetzt. Die Folgen sind oftmals Druck und Demotivation. Denn eigentlich kann und sollte Wissen nicht bewertet werden. Das zeigt sich am deutlichsten bei der Ausführung von Hobbies. Wenn man ein Instrument spielt oder eine Sportart ausführt, geht es in erster Linie darum, sich das dafür erforderliche Wissen anzueignen. Bewertungen machen erst Sinn im Wettbewerb. Somit erscheint die Arbeitswelt als ein ständiger Wettbewerb. Denn auch in vielen Unternehmen werden die Mitarbeiter freudig bewertet, und das nicht erst mit einem Arbeitszeugnis bei Austritt.

Durch Personalbewertung wissen die einzelnen Mitarbeiter, wo sie im Unternehmen stehen. Besteht Weiterbildungspotenzial? Sollte der Mitarbeiter gefördert werden? Oder sollte man sich von dem Mitarbeiter verabschieden? Diese Informationen dienen insbesondere der Unternehmensleitung, die in einer leistungsorientieren Geschäftswelt die Mitarbeiterbewertung als innerbetriebliches Mittel zur Qualitätssicherung heranzieht. Unternehmen nutzen zahlreiche Systeme, um ihre Mitarbeiter zu kategorisieren.

Die häufigste Form der Mitarbeiterbewertung ist die Beobachtung, die anschließend zu einem persönlichen Gespräch zwischen Vorgesetzen und Mitarbeiter führt. Der Lebensmittelriese Unilever hat zur Bewertung seiner Mitarbeiter nun einen Matrixbogen erstellt, der die Angestellten mithilfe von zwei Farben kategorisiert. In Grün werden die High Potentials markiert, in Rot Underperformer, die breite Mitte bleibt weiß. Die Idee dazu stammt von Paul Polman, ehemaliger Nestlé Manager und nun CEO von Unilever. Polman geht davon aus, dass es in jeder Abteilung und in jedem Team des Konzerns mit Gewinnen in der Milliardenhöhe einen bestimmten Satz Underperformer gibt, unabhängig davon, wie hoch das Niveau in einem Team ist. Der Anteil der zu identifizierenden Underperformer liegt dabei deutlich über 10 Prozent, heißt es.

Mit dem recht unscheinbaren Performance Management will man Talente früher erkennen und fördern. Die „Roten“ sollen auch nicht gefeuert werden, sondern laut Aussage des Konzerns Weiterbildungsangebote oder Trainings bekommen. Allerdings ist Unilever für Personaldruck bekannt. Die Zahl der Burnout-Fälle, sowie die Zahl der Abgänge aus der Hamburger Zentrale sind hoch, teilte der Betriebsrat mit. So konnte dieser in einer Konzernbetriebsvereinbarung durchsetzen, dass zumindest auf die Quotierung verzichtet wird.

Die Matrix funktioniert genauso wie das Schulnotensystem, visualisiert die Ergebnisse nur deutlicher. Jeder kann sehen, wie die Leistung des Kollegen eingestuft wurde. Sollen als nächstes Kundenberater in der Bank ein Namensschild mit Farbmarkierung tragen, damit auch Kunden wissen, dass sie dem Berater mit dem grünen Schildchen Vertrauen können?

Durch derartige Bewertungssysteme wird Druck und Konkurrenzkampf innerhalb des Unternehmens angekurbelt, kooperative Mitarbeit zwischen den Kollegen erschwert. Gerade erhöhter Druck senkt die Produktivität. Nur wer sich wohl fühlt, kann produktiv arbeiten. Es entsteht ein Teufelskreis der Unzufriedenheit und Frustration auf beiden Seiten, der jährlich, in Form von Fehlleistungen zu volkswirtschaftlichen Schäden führt. Auch über die Objektivität solcher Bewertungssysteme lässt sich streiten. Natürlich geben die Unternehmen nicht heraus, wie sie verfahren. Doch eines steht fest: Wenn ein Arbeitnehmer kein gutes Verhältnis zu seinem Chef hat, rutscht er schnell in den roten Bereich.

Foto von Marcus Lindström – www.istockphoto.de