Großmachtpoker sollte Anleger nicht kalt lassen

Was bedeutet der anhaltende Konflikt zwischen China und den USA für Investoren? Eins ist sicher: Die beiden Großmächte steuern mit der Entkoppelung von strategisch wichtigen Bereichen ihrer Wirtschaft auf neue Konfrontationen zu – was an den Kapitalmärkten nicht ohne Folgen bleiben dürfte.


Großmachtwettbewerb zwischen China und den USA, Folgen für Anleger, Great Power Competition, Kampf der Großmähcte, Hände die gegeneinander kämpfen

Der Großmachtwettbewerb zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt kann die Anleger schon wegen seiner ökonomischen Bedeutung nicht kalt lassen. Bis 2035 will China das Bruttoinlandsprodukt verdoppeln und damit die USA als Nummer eins überflügeln. Doch es geht nicht nur um einen wirtschaftlichen Wettkampf, sondern vor allem um einen technologischen – und um globale Einflussnahme.

Diese so genannte Great Power Competition durchläuft dabei verschiedene Phasen. Ab 2018 kam es unter der US-Regierung von Donald Trump zu einer Verschärfung mit der Verhängung von Strafzöllen und Sanktionen. Den vorläufigen Abschluss dieser Phase bildete im Januar 2020 ein Handelsabkommen, in dem sich die Parteien gegenseitige Zusicherungen gaben und ein weiteres Abkommen zu grundlegenderen Fragen in Aussicht stellten.

Entspannung: Fehlanzeige

Dazu ist es bisher nicht gekommen: Der Wechsel im Weißen Haus hat nichts an den Konfliktlinien geändert. Unter Trumps Nachfolger Joe Biden wird der Streit stärker als je zuvor zu einer Frage der nationalen Sicherheit. Zu den Kernpunkten gehören Maßnahmen, die Chinas Zugang zu Basistechnologien beschränken sollen. Das gilt etwa für Halbleiter und Technologien. Hinzu kommen Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der USA, etwa durch die Förderung der Widerstandsfähigkeit von strategisch wichtigen Lieferketten, öffentliche Investitionen, die Schaffung von Investitionsanreizen und die Bevorzugung von in den USA hergestellten Gütern im Beschaffungswesen („Buy American“).

Umgekehrt hat China identische Interessen im Rahmen der nationalen Sicherheit. Auch hier mehren sich Hinweise auf eine schrittweise Entkopplung der beiden größten Volkswirtschaften. Unter der Ägide von Präsident Xi schwenkt China gerade hin zu „mehr Staat“ und greift stärker in privat geführte Unternehmen ein. Die Führung in Peking will im Rahmen ihrer Wirtschaftsstrategie mehr Autonomie erreichen, etwa bei Importen strategisch wichtiger Güter.

Entkopplung von China und den USA

China ist dabei in einer kritischen Entwicklungsphase: Im Chip-Sektor ist das Land auf ausländisches Know-how angewiesen. Diese Abhängigkeit wird es nicht so schnell verringern können. Neue Regulierungsbestrebungen sind zudem darauf ausgerichtet, die Interessen der privaten chinesischen Big Techs wie Alibaba oder Tencent in Einklang mit jenen des Staats zu bringen. Zugleich sollen Regulierungseingriffe auch einer wachsenden Unzufriedenheit der eigenen Bevölkerung durch soziale Ungleichheit entgegenwirken. Die jüngsten Regulierungsschritte Chinas haben die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen deutlich belastet und das Vertrauen der Anleger gestört.

Die zunehmende Entkopplung von China und den USA wird Wirtschaftswachstum, Gewinnströme und Zinsentwicklung weltweit beeinflussen. Aktuell setzen die USA beispielsweise durch strategisch ausgerichtete Infrastrukturpakete eher auf Expansion. China nimmt dagegen kurzfristig eine Wachstumsverlangsamung durch eine Verschärfung der Regulierung und Verringerung des Fiskalimpulses in Kauf, was aber langfristig die Binnenwirtschaft und das Finanzsystem stärken soll.

Anleger sollten sich darum kontinuierlich mit den Folgen dieses Konflikts befassen – zeitlich, regional und sektoral genauso wie auf der Ebene der einzelnen Unternehmen. Die Stärkung der „Buy-American“-Doktrin unter Biden kann auch in Europa nachteilige Auswirkungen auf die Autozulieferbranche haben. Umgekehrt sind ebenso Vorteile durch die Umstrukturierung von Zulieferketten für regionale Anbieter möglich. Besonders wachsam sollten Anleger bei strategisch wichtigen Branchen sein, etwa in den Bereichen Kommunikation, Halbleiter und Gesundheit.

Resilienz schlägt Effizienz

Weltweit gilt es genau hinzusehen, ob bestehende Geschäftsbeziehungen durch den Konflikt nachteilig betroffen sind oder sich sogar Chancen daraus ergeben. Für internationale Anleger ist eine höhere Komplexität der Anlagestrategie die Folge. Resiliente, also widerstandsfähige Lieferketten, werden eher wichtiger als effiziente Lieferketten. Die Folgen für Kosten und Margen der Unternehmen sind derzeit noch unklar, weshalb die Risikoprämien für möglicherweise betroffene Anlagen tendenziell steigen sollten.

Damit bieten sich auch Anlagechancen: Größere Unternehmen sollten besser in der Lage sein als kleine, sich auf die neuen Rahmenbedingungen entkoppelter Großmächte einzustellen. Abhängig davon, wie flexibel Unternehmen sind, lassen sich Auswirkungen des Konflikts auf das eigene Geschäft begrenzen oder gar in steigende Gewinne ummünzen. Bei Anlagen in China oder den USA sollten Investoren allerdings im Blick haben, wie wichtig das Unternehmen für die jeweiligen Staatsinteressen ist.

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