Was nach oben fliegt, kommt irgendwann auch wieder herunter. Daher macht sich Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M.M.Warburg & CO, aktuell wenig Sorgen um die wirtschaftliche Lage. In seinem Marktkommentar schaut er auf die weitere Entwicklung der Inflationsraten weltweit.


Inflationsrate

Die globale Wirtschaft wird sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr überdurchschnittlich stark wachsen. Garant der wirtschaftlichen Erholung sind dabei die expansive Geld- und Fiskalpolitik. Im Vergleich zur Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009, von der sich die Weltwirtschaft nur langsam erholte, verläuft der Aufholprozess diesmal wesentlich dynamischer. Hierbei spielen vor allem die Konjunkturpakete in den Industrieländern eine wesentliche Rolle. Insbesondere die USA übernehmen die Rolle des globalen Konjunkturmotors, von dem viele andere Volkswirtschaften profitieren. Die Kehrseite der Medaille einer schnellen wirtschaftlichen Erholung ist ein deutlicher Anstieg der Inflationsraten. Viele Haushalte und Unternehmen verfügen dank des guten Krisenmanagements von Regierungen und Zentralbanken über hohe finanzielle Reserven. Die aufgestaute Nachfrage führt angesichts noch nicht wieder komplett hergestellter Lieferketten und Kapazitäten auf der Angebotsseite zu fehlenden Vorleistungsgütern sowie hohen Transport- und Rohstoffkosten. Da viele Unternehmen ihre höheren Kosten auf die Preise überwälzen können, ist die US-Inflationsrate im Juni 2021 auf über fünf Prozent angestiegen, in Deutschland lag sie zuletzt bei fast vier Prozent und in der Eurozone bei etwas mehr als zwei Prozent.

Höhepunkt der Preisentwicklung ist bereits überschritten

Während einige Volkswirte einen anhaltenden Trend zu höheren Preissteigerungsraten erwarten, bereitet uns die aktuelle Entwicklung wenig Kopfzerbrechen. Bei einigen Rohstoffen scheint der Höhepunkt der Preisentwicklung bereits überschritten zu sein, dies gilt beispielsweise für Nahrungsmittel wie Sojabohnen und Weizen, für Baumwolle sowie für Eisenerz und Holz. Der Ölpreis, dem wegen seines hohen Gewichts in den Warenkörben eine besondere Bedeutung für die Preisentwicklung zukommt, ist auf rund 70 US-Dollar je Barrel angestiegen. Dennoch hat sich seine jährliche Veränderungsrate von zwischenzeitlich mehr als 300 Prozent im April 2021 auf zuletzt rund 70 Prozent abgeschwächt. Von daher halten wir es für wahrscheinlich, dass die Inflationsrate des Consumer Price Index (CPI) in den USA bereits ihr Peak erreicht hat und bis Jahresende auf rund vier Prozent sinken wird. Auch die immer noch geringe Kapazitätsauslastung und der unverändert geringe Lohndruck sollten dafür sorgen, dass ab Mitte des Jahres 2022 die Preise mit einer Jahresrate von weniger als zwei Prozent zunehmen werden.

Inflationsrate lässt schlagartig nach

In der Eurozone wird sich dagegen im zweiten Halbjahr 2021 der Preisauftrieb zunächst weiter beschleunigen. Dies ist vor allem auf die Mehrwertsteuersenkung in Deutschland im letzten Jahr zurückzuführen. Aus diesem Grund hat die deutsche Inflationsrate im Juli 2021 einen kräftigen Satz nach oben auf mehr als drei Prozent gemacht. Im Spätherbst wird die Preissteigerungsrate in Deutschland bei fast fünf Prozent und in der Eurozone bei rund drei Prozent liegen. Doch genauso schnell wie die Inflationsrate in die Höhe geschossen ist, geht sie danach auch wieder zurück. Im Laufe des Jahres 2022 wird sie
wieder auf Werte von unter zwei Prozent sinken. Die Ursache ist ein weiterer Basiseffekt, nur diesmal mit umgekehrtem Vorzeichen: Durch die Anhebung des deutschen Mehrwertsteuersatzes von 16 auf 19 Prozent im Januar 2021 lässt der Preisauftrieb im Vergleich zu den vorherigen 12 Monaten – nichts anderes misst die Inflationsrate – im Januar 2022 schlagartig nach. Insofern rechnen wir damit, dass die durchschnittliche Inflationsrate in Deutschland von 3,1 Prozent in diesem auf 2,1 Prozent in 2022 sinken wird. Für die Eurozone erwarten wir ein Absinken von 2,0 auf 1,5 Prozent.

Erhöhung der Leitzinsen

In den USA wird die vom CPI-Index gemessene Preissteigerungsrate von 4,3 Prozent auf 2,8 Prozent zurückgehen. Die Notenbanken müssen also nur langsam den Fuß vom Gas nehmen. In den USA hat unter den Mitgliedern der Federal Reserve (FED) bereits eine Diskussion begonnen, wann die Anleiheaufkaufprogramme reduziert oder sogar eingestellt werden könnten. Dieses sogenannte „Tapering“ der Anleihekäufe könnte im vierten Quartal 2021 oder spätestens Anfang des Jahres 2022 beginnen. Eine Erhöhung des Leitzinses halten wir dagegen nicht vor dem Jahr 2023 für wahrscheinlich. In der Eurozone dürfte es sogar noch länger dauern, bis die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik zu normalisieren beginnt. Zinserhöhungen erwarten wir – auch aufgrund der fragilen Staatsfinanzen in vielen Ländern der Eurozone, die auf anhaltend niedrige Zinsen angewiesen sind – in absehbarer Zeit nicht.

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