Wie schädlich ein „Grüner Schwan“ für Banken werden kann

Professor und Buchautor Joachim Weeber spricht über Transitionsrisiken, die Kipp-Schwelle im Klimasystem und erklärt mal kurz die Sache mit den „bunten Schwänen“.


Durch den Klimawandel entstehen neue Risiken für die Wirtschaft, auch für die Finanzbranche.

Die globale Finanzkrise haben wir überwunden. Die Corona-Krise wird uns noch weiter beschäftigen. Die prägende Herausforderung der Zukunft wird aber die Bewältigung der Klimakrise sein. Das gilt auch für die Finanzmärkte. Die zunehmende Bedeutung des Klimawandels für die Finanzbranche zeigt sich unter anderem in der stetig steigenden Zahl an Green-Finance-Produkten. Mit dem Klimawandel sind dabei aber nicht nur Chancen, sondern auch Risiken verbunden. Denn der Klimawandel erweitert die Palette der für die Finanzmarktakteure bekannten Risikokategorien.

Extreme Wetterereignisse, die Schäden an Gebäuden oder Produktionsanlagen verursachen, die Auswirkungen veränderter Niederschlagsmuster auf die Landwirtschaft oder schlechte Schneebedingungen auf den Wintertourismus haben direkten Einfluss auf Vermögenswerte. Größere Risiken für die Finanzbranche resultieren jedoch aus Bewertungsveränderungen bei Kapitalanlagen („Transitionsrisiken“) durch den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. So führt eine geringere Nachfrage nach „Kohle-Strom“ in der Regel zu Abschreibungen auf Investitionen in solche Kraftwerke. Auch Unternehmen aus dem Sektor Transport und Verkehr stehen vor großen strukturellen Veränderungen.

Der Klimawandel führt damit zu Neubewertungen von Aktien, Unternehmensanleihen oder Investmentfonds. Hinzu kommen politische Risiken, also politische Regelungen, die zu einer Änderung der Klimapolitik der Regierung führen. Bekanntlich können die Folgen politischer Einflussnahme erheblich sein. So wird die Besteuerung des Ausstoßes von Kohlendioxid (CO2) einzelne Wirtschaftsbereiche und (Industrie-)Unternehmen besonders treffen, wie eine Analyse von Union Investment zeigt.

Kipp-Schwelle: Risiken steigen massiv an

Die Prognose der Größenordnung solcher Risiken wird durch die Ungewissheit der Eintrittswahrscheinlichkeit und Eintrittsgeschwindigkeit von Klimaveränderungen erschwert. Das Risiko politischer Regulierung und die Umsetzungsgeschwindigkeit der Einschnitte sind aber umso größer, je gravierender die umwelt- und gesellschaftlichen Risiken aus der Klimaveränderung sind – vor allem, wenn es um sogenannte Kipp-Elemente geht.

Wird die Kipp-Schwelle „Globale Erwärmung über 2°C“ (Pariser Klimaschutzziel) überschritten, steigt das Risiko so stark an, dass Teilsysteme des Klimasystems in neue, teilweise nicht mehr umkehrbare Zustände kippen könnten. Das Überschreiten solcher Tipping Points wird mit sich gegenseitig verstärkenden Effekten und entsprechenden Temperaturanstiegen verbunden sein. Daraus dürften massive politische und regulatorische Eingriffe resultieren – mit entsprechend drastischen Auswirkungen auf einzelne Segmente der Finanzmärkte.

Zur Bewertung der Gesamtrisiken müssen daher nach Meinung des für die Finanzstabilität zuständigen Financial Stability Boards (FSB) drei Aspekte herangezogen werden. Erstens: Schätzung der tatsächlichen und möglichen Auswirkungen von klimabezogenen Risiken und Chancen auf Geschäftstätigkeit, Strategie und finanzielle Planung des Unternehmens – inklusive der Kreditvergabe an emissionsintensive Firmen. Zweitens: Angabe der Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Kommunikation klimabezogener Risiken. Drittens: Angabe der Ziele und Indikatoren, die verwendet werden, um klimabezogene Risiken und Chancen beurteilen und steuern zu können.

Verändertes Risikoumfeld hat Konsequenzen

Dieses veränderte Risikoumfeld zieht Konsequenzen der Aufsichtsbehörden nach sich. So hat die BaFin bereits Ende 2019 ein Merkblatt zum Umgang mit Klimarisiken für Finanzmarktakteure in Deutschland veröffentlicht. Zwar ist das Merkblatt rechtlich unverbindlich, doch könnten daraus zeitnah auch faktische Anforderungen resultieren. Vor allem deshalb, weil europäische Behörden bereits weitgehendere Aufsichtsregime anstreben.

So hat die EU-Kommission der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA die Prüfung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Finanzinstituten auferlegt. Bis 2021 hat die EBA einen Bericht über die Einbeziehung von Klimarisiken in das Risikomanagement von Banken vorzulegen.

Eine unzureichende Berücksichtigung solcher Risiken könnte in Zukunft für Banken zu höheren Kapitalanforderungen führen. Eine bedeutende Rolle von Klimarisiken in der europäischen Bankenregulierung ist unausweichlich. Finanzmarktakteure sollten sich also auf höhere Anforderungen aus klimarelevanten Aspekten einstellen. Denkbar wären etwa weitergehende Informationspflichten in den öffentlich zugänglichen Reports, zusätzliche Abschnitte in Jahresabschlüssen und Prüfungsberichten zu klimarisikorelevanten Positionen oder institutsinterne klimabezogene Reporting-Pflichten im Risikomanagement. Hinzu kommen Klima-Stresstests, Vor-Ort-Prüfungen und neue Anforderungen im Meldewesen.

Zentrale Aufgabenstellung wird aber die strategische Ausrichtung der Finanzinstitute sein – also die Einschätzung der tatsächlichen und möglichen Auswirkungen klimabezogener Risiken und Chancen auf die eigene Geschäftstätigkeit, der daraus resultierenden Strategie (inklusive einer Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen) und der finanziellen Mittelfristplanung des Instituts.

Daraus folgt für Banken zum Beispiel eine kritische Bestandsaufnahme der bestehenden Kreditvergaben an emissionsintensive Firmen, die gegebenenfalls notwendige Anpassung der bestehenden Kreditvergabepolitik und die Entwicklung von Kommunikationsstrategien zur Vermittlung von Green-Finance-Produkten. Eine regelmäßige Überprüfung der Belastbarkeit des Geschäftsmodells, gerade auch bei Veränderungen der klimapolitischen Rahmenbedingungen, und die umfassende Analyse des Risikomanagement-Prozesses gehören ebenfalls dazu.

Neben den Risiken auch Chancen

Neben diesen Risiken ergeben sich aber auch viele Chancen. Die Größenordnungen der notwendigen Assets, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, könnten sich weltweit auf bis zu fünf Billionen US-Dollar jährlich belaufen. Green-Business- und Low-Carbon-Innovationen – Investitionen zur nachhaltigen Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen, etwa in erneuerbare Energien, energieeffiziente Immobilien, in neue Logistiklösungen, in die Verbesserung der Energieeffizienz von Produktionsprozessen durch den Umstieg auf emissionsarme Technologien, durch die Förderung der Elektromobilität oder durch den Ausbau der Netz- und Speicherinfrastruktur – wurden bereits als wahrscheinlich größter Wachstumsmarkt der Weltwirtschaft angesehen. Chancen, in diesen Bereichen gute Renditen zu erzielen, sind also vorhanden. Man muss sie nur nutzen.

Was bleibt also? Wenn die globale Finanzkrise im Sinne des Finanzmathematikers Nassim N. Taleb ein „Black Swan“ war (also ein Ausreißer mit enormen Auswirkungen, dessen Auftreten im Rückblick aber erklärbar ist) und die Corona-Krise als „White Swan“ bezeichnet werden kann (also als ein Ereignis, das mehr oder weniger regelmäßig auftritt, dessen Zeitpunkt und Charakter aber unbekannt ist), dann ist die Klimakrise für die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ ein „Green Swan“: also ein extrem schädliches Ereignis als Ausdruck einer radikalen Ungewissheit mit nicht mehr klassisch berechenbaren Risiken, das die nächste systemische Finanzkrise auslösen kann.

Finanzinstitute sollten sich also intensiv mit dem Thema beschäftigen.

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