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„Neue Technologien führen auch zu veränderten Bedürfnissen“

Dr. Michael Luhnen, Managing Director von PayPal in Deutschland, Österreich und der Schweiz, im Gespräch mit Daniel Fernandez und Thomas Friedenberger über bargeldlose Bezahlwege, Voice Commerce, Kundenvertrauen und warum es keine Zeiterfassung in seinem Unternehmen gibt.


Dr. Michael Luhnen, Managing Dircetor bei PayPal in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Interview

BANKINGNEWS: Sie waren vor Ihrem Einstieg bei PayPal mehrere Jahre lang Berater bei McKinsey – was ist der größte Unterschied zu Ihrem jetzigen Job, in dem Sie operativ in der Finanzbranche verantwortlich sind?
Michael Luhnen: Als Berater habe ich verschiedene Branchen und Unternehmen kennengelernt. Das war sehr hilfreich, auch als für mich der nächste Schritt anstand und damit verbunden die Frage, in welche Richtung es gehen soll. Mit der Entscheidung für PayPal habe ich mich auf Finanzdienstleistungen spezialisiert. Das ist ein breites Feld und ich habe hier bereits verschiedene Themen und Bereiche verantwortet. Aber im Unterschied zu vorher habe ich ein tiefgreifenderes Verständnis und entsprechendes Fachwissen aufbauen können.

Viele erfolgreiche Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley sind für ganz besondere Arbeitsumgebungen bekannt. Wie sieht Ihr direktes Arbeitsumfeld hierzulande aus?
Unser Büro befindet sich auf einer Art Campus vor den Toren Berlins. Hier sitzen wir in einem Gebäude auf mehreren Etagen in Großraumbüros. Zusätzlich gibt es mit Meetingräumen, Sitzecken und Terrassen verschiedene Möglichkeiten, sich zurückzuziehen. Wir haben eine Kantine, ein Fitnessstudio und ein Basketball- und Volleyballfeld im Angebot. Natürlich fehlen auch Kicker und Tischtennisplatte nicht. In den Küchen bieten wir Obst, Gemüse, Säfte, Kaffee, Wasser und Snacks an. Wir sind alle per Du und pflegen ein offenes Miteinander – einen Dresscode gibt es nicht. Es gibt auch keine Zeiterfassung, jeder kann sich seine Zeit frei einteilen. Am Ende zählt das Ergebnis.

Sie sind Chef der DACH-Region. Wie wichtig ist der deutsche Markt in Ihrem Verantwortungsbereich und für PayPal international?
Der deutsche Markt ist für PayPal sehr wichtig. Von weltweit über 300 Millionen Kunden ist der deutsche Markt mit aktuell 23 Millionen aktiven Kunden nach den USA und Großbritannien der drittgrößte Markt. Auf der Konsumentenseite liegt PayPal laut ECC-Studie auf Platz zwei der beliebtesten Bezahlmethoden deutscher Onlineshopper. Auch auf Händlerseite verzeichnen wir eine breite Akzeptanz. 91 Prozent der 1.000 größten Online-Händler bieten laut EHI-Payment-Studie hierzulande PayPal als eine Bezahlmethode an. Das ist auch im Vergleich zu anderen Märkten ein Spitzenwert.

Sie haben zu Ihrem Start als PayPal-Chef gesagt, Sie bauen kontinuierlich das Angebot für Verbraucher aus, um für sie „mehr als nur eine Bezahlmethode zu sein“. Was haben Sie schon umgesetzt?
Einiges, ich nenne mal ein paar konkrete Beispiele: Mit Blick auf die Konsumentenseite unseres Geschäfts fällt mir da unsere Kooperation mit Google und Mastercard zu Google Pay ein. Hier sind wir neben den USA der einzige Markt weltweit, der seinen Kunden die Möglichkeit bietet, PayPal als Zahlungsquelle für Google Pay zu nutzen. Im letzten Jahr haben wir den Geldtransferdienst Xoom nach Deutschland gebracht. Damit können unsere Kunden Geld von Deutschland aus an Empfänger in über 130 Märkten weltweit senden, Rechnungen bezahlen oder Handyguthaben aus der Ferne aufladen. Und seit September 2019 bieten wir unseren deutschen Kunden mit der Ratenzahlung noch ein Stück mehr Flexibilität beim Bezahlen mit PayPal.

„Wir befassen uns mit neuen Branchen für digitales Bezahlen.“

Das war die Konsumentenseite, was ist mit der Händlerseite?
Mit dem PayPal-Businesskredit bieten wir seit Ende 2018 eine Finanzierungslösung an, die sich besonders an kleine und mittelständische Unternehmen richtet. Sie können mit geringem Aufwand und komplett online einen Kredit beantragen, über den direkt entschieden wird und der bei Bewilligung unmittelbar aufs PayPal-Konto ausgezahlt wird. Unser neuestes Produkt für Händler ist die Business Debit Mastercard, die wir im November 2019 eingeführt haben.

Warum sollen Unternehmen die Business Debit Card nutzen?
Mit der Karte können Business-Kunden ihre mit PayPal erzielten Umsätze direkt beim Einkauf an der Ladenkasse einsetzen. Damit entfällt der Schritt, dass das PayPal-Guthaben erst auf ein Bankkonto überwiesen werden muss. Die Karte kann überall eingesetzt werden, wo Mastercard akzeptiert wird, sowohl online als auch im Laden. Für jede Zahlung mit der Debitkarte erhalten Karteninhaber zudem 0,5 Prozent Cashback. Mit diesem Angebot richten wir uns vor allem an kleine und mittelständische Unternehmen. Sie erhalten ein Produkt, das auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist und sich in die vorhandene Umgebung mit Onlineshop und PayPal-Konto nahtlos einfügt. Die bisherige Resonanz bestätigt das. Viele haben sich für eine Karte registriert. Und dabei bleibt es nicht: Nach Erhalt und Aktivierung beobachten wir den regelmäßigen Einsatz der Karte. Betrachtet man die Business Debit Mastercard als Teil unseres Gesamtangebots für kleine und mittelständische Händler, bietet sie eine sinnvolle Erweiterung der Wertschöpfungskette.

Welche Bereiche möchten Sie noch erschließen?
Wir befassen uns seit einigen Jahren mit neuen Branchen für digitales Bezahlen. Dafür ist E-Government ein Beispiel. Elektronisches Bezahlen hält hier schrittweise Einzug. Bürgerportale und Bußgeldzentralen sind beliebte Anwendungsfälle. Auch öffentliche Einrichtungen wie die VHS Koblenz oder das Studierendenwerk Stuttgart haben mittlerweile die Vorzüge bargeldloser Bezahlwege für sich entdeckt. Der Mobilitätssektor ist ebenfalls ein Feld, auf dem wir aktiv sind. Hier haben wir beispielsweise im Sommer 2017 Shell SmartPay gestartet. Damit können unsere gemeinsamen Kunden bundesweit an über 1.500 Shell-Tankstellen ihre Tankfüllung direkt an der Zapfsäule mit dem Smartphone bezahlen – also quasi „Tanken und Abhauen“ ohne den klassischen Weg über das Kassenhäuschen an der Tankstelle.

Was planen Sie sonst?
Wir arbeiten daran, die von uns in den letzten Jahren akquirierten Unternehmen mit ihren Services in unser Produktangebot zu integrieren. Dahinter steht der Gedanke, dass wir Händlern eine Art zentrale Plattform bieten möchten, über die sie direkten Zugriff auf diejenigen Produkte und Services erhalten, die sie für ihr Geschäft und ihre jeweilige Situation benötigen.

„Wir stehen beim Thema Voice Commerce nach wie vor am Anfang.“

Sie bezeichneten es mal als „schöne Herausforderung“, ihr zweiseitiges Netzwerk von Händlern und Verbrauchern weiter wachsen zu lassen. Wer ist wichtiger für Ihr Unternehmen?
Beide Seiten, Konsumenten und Händler, sind gleich wichtig für unser Geschäft. Unsere Händler profitieren davon, dass viele Menschen PayPal als Zahlungsmittel im Internet nutzen. Oder anders gesagt: Ein Händler, der PayPal als Bezahlmethode in seinem Onlineshop anbietet, erhält dadurch Zugang zu potenziell über 300 Millionen Kunden auf der ganzen Welt. Mit jedem Händler, der PayPal anbietet, steigt wiederum die Attraktivität für Verbraucher. Denn was bringt mir als Konsument ein Bezahldienst, mit dem ich nirgendwo bezahlen kann? Der Einstieg unseres Unternehmens in neue Bereiche wie E-Government, Mobilität oder Tourismus beschert uns also nicht nur neue Kunden für die Händlerseite unseres Geschäfts, sondern gibt gleichzeitig unseren Verbraucherkunden die Möglichkeit, ihr Pay-Pal-Konto vielseitiger einzusetzen als bisher. Lassen Sie mich dazu ein Beispiel geben: Vor zehn Jahren konnte ich mit PayPal fast nur in Onlineshops bezahlen. Heute kann ich Geld an Freunde und Familienmitglieder senden, meine Lieferdienstbestellung, die Taxifahrt, das Bahnticket, die Tankfüllung oder meinen nächsten Urlaub mit PayPal bezahlen.

Wer über Payment spricht, darf über Voice Commerce nicht schweigen. Klären Sie uns auf: Wie wird Voice Commerce die Art des Bezahlens verändern?
Grundsätzlich stehen wir beim Thema Voice Commerce nach wie vor am Anfang. Der tatsächliche Erfolg und die Auswirkungen auf das Einkaufsverhalten der Konsumenten werden stark vom jeweiligen Anwendungsfall und Kontext abhängen. Verbraucher wägen zwischen Komfort und Sicherheit ab. Wenn ein Kunde eine Transaktion über Voice auslöst, muss sie sicher verarbeitet werden.

Was könnte das Problem sein?
Es bedarf entsprechender Technologien, die sowohl den Komfort und ein überzeugendes Benutzererlebnis als auch die Sicherheit in Bezug auf die Zahlung ermöglichen. Infrage kommende Situationen könnten solche sein, bei denen sich der Verbraucher im eigenen Auto oder Zuhause  befindet und es um standardisierte Vorgänge geht, etwa das Bestellen einer Pizza. Komplexere Themen wie etwa der Kauf von Kleidung werden bei Voice Commerce erst einmal nicht im Vordergrund stehen.

Beim Zahlungsverkehr bringen Privatkunden nicht nur klassischen Banken, sondern auch Nichtbanken viel Vertrauen gegenüber. Woran liegt das?
Neue Technologien erleichtern nicht nur den Alltag, sondern führen auch zu veränderten Wünschen und Bedürfnissen. Auch beim Zahlungsverkehr entsteht der Wunsch nach deutlich mehr Komfort. Bezahlen soll natürlich nach wie vor sicher sein, aber eben auch einfach und bequem. Für Anbieter ergibt sich daraus die Herausforderung, kundenzentriert zu denken – und das nicht nur bei der Produktentwicklung, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Selbst ein klassisches Thema wie Kundenservice darf dabei nicht außen vor bleiben.

Kundenzentrierung ist ja zum Buzzword geworden. Was verstehen Sie konkret darunter?
Kern und Ausgangspunkt sollte das Denken vom Kunden her sein: Welches Problem hat der Kunde? Welches Problem kann ich für meinen Kunden lösen? Die Antworten auf diese Fragen helfen Unternehmen dabei, Lösungen zu schaffen, die echten Mehrwert und ein überzeugendes Nutzererlebnis bieten. Die Kombination von Mehrwert und Nutzererlebnis bildet Vertrauen.

„Die Deutschen möchten spontan entscheiden können, wie sie bezahlen.“

Welche Schlüsse zieht PayPal daraus?
Eine Aussage, die wir schon häufiger von Kunden gehört haben, ist zum Beispiel: „Es hat eine Weile gedauert, bis ich PayPal mal ausprobiert habe. Aber dann hat das so schnell und bequem funktioniert, dass ich jetzt ständig so zahle.“ Das positive Erlebnis aus der Praxis führt also dazu, dass man dem Anbieter erneut das Vertrauen schenkt. Das mag banal klingen, wird aber auch durch Studien bestätigt. Im Rahmen der ECC-Payment-Studie wurden Verbraucher gefragt, aus welchen Gründen sie sich bei ihrem letzten Kauf für eine bestimmte Bezahlart entschieden haben. Eine der Antworten war „Gute Erfahrungen in der Vergangenheit“.

Ist Deutschland bereit für eine bargeldlose Einkaufswelt?
Die Ergebnisse einer im Auftrag von PayPal durchgeführten Forsa-Umfrage zum Bezahlverhalten der Deutschen im letzten Jahr haben gezeigt, dass zwar viele der Befragten schon bargeldlos bezahlen, aber noch weit davon entfernt sind, ganz auf Münzen und Papiergeld zu verzichten. Um es einmal konkret zu machen: An der Ladenkasse geben 54 Prozent der Deutschen bereits heute bargeldlosen Bezahlmitteln wie Kreditkarte oder Girocard den Vorzug. Bei den 30- bis 49-Jährigen liegt dieser Anteil mit 67 Prozent sogar noch höher.

Und in den nächsten Jahren – wie bezahlen wir in Zukunft?
Das ist eine sehr gute Frage! Da zeigte sich in der Umfrage ein ambivalentes Bild. So erklärte die überwiegende Mehrheit der Befragten, dass sie sicher sei, dass in Deutschland in den nächsten fünf Jahren seltener mit Bargeld gezahlt werden wird. Ging es dann allerdings um ihr persönliches Bezahlverhalten, gaben weniger als die Hälfte der Befragten an, dass sie in den nächsten fünf Jahren seltener mit Bargeld bezahlen als heute. 51 Prozent gingen davon aus, Bargeld genauso häufig einzusetzen wie heute.

Ihr persönliches Resümee?
Ich denke, die Verbreitung und Nutzung bargeldloser Bezahlwege wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Hierzu zähle ich auch das Bezahlen per Smartphone an der Ladenkasse. Von einer bargeldlosen Zukunft sind wir hierzulande allerdings noch weit entfernt. Der Wunsch der Deutschen geht vielmehr in Richtung Flexibilität und Auswahl: Sie möchten spontan entscheiden können, wie sie bezahlen.

Interview: Daniel Fernandez, Thomas Friedenberger