Servicekundenbetreuung im Omnikanalmodell

Effiziente, homogene und kundengerechte Kanäle sind für Banken zunehmend entscheidend im Wettbewerb und damit im Fokus. Dabei wird aber nicht jedes Kundensegment in gleichem Maße berücksichtigt, sagt Christoph Klein von der Volksbank Hellweg und gibt Praxistipps, wie sich das Servicekundensegment im Omnikanalmodell integrieren lässt.


Servicekunden und das Omnikanalmodell

Zahlreiche Regionalbanken haben sich bereits auf den Weg gemacht, „Omnikanalbank“ zu werden. Die Institute möchten somit ihre Kanäle homogen ausgestalten, diese vernetzen und Kundenreisen schaffen. Alle, die zu diesen Regionalbanken gehören, kennen diese Interpretation des Omnikanalmodells: „Der Kunde wählt seinen Kanal frei nach seiner Affinität und kann jederzeit in andere Kanäle wechseln“.

Gilt diese Interpretation auch für das mengenmäßig größte und zugleich margenschwächste Segment – die Servicekunden? Werden die geringen, oftmals auch negativen Deckungsbeiträge ausreichend berücksichtigt? Es deutet sich an: Man sollte sich intensiv mit dem Servicekundensegment im Omnikanalmodell beschäftigen und gegebenenfalls auch unangenehme Entscheidungen treffen.

Servicekunden als größtes Segment

Bezeichnungen für das Servicekundensegment sind ebenso vielfältig wie Kriterien zu dessen Zusammensetzung. In der Regel stellt diese Kundengruppe etwa 40 Prozent des Privatkundenportfolios und somit die größte Kundengruppe nahezu jeder Regionalbank dar.

Weitere Gemeinsamkeiten sind geringe Produktnutzungsquoten und eine gewachsene sowie ausdauernde Orientierung am persönlichen Vertriebskanal, sprich der kostenintensiven klassischen Filiale. Dies führt schnell zu einem negativen DBIII-Ergebnis, welches dann immer mit dem Verweis auf „unsere Aufgabe als Regionalbank” vom Tisch gewischt wird.

Effizienzen heben und Effektivität steigern

Für die Marktbearbeitung müssen sich Regionalbanken „Leitplanken“ geben, innerhalb derer sich das Produkt- und Kanalangebot bewegt. Regionalbanken sollten hierbei ihren geschichtlichen und gesellschaftlichen Auftrag berücksichtigen und eine „Exitstrategie“ für Servicekunden ausschließen.

Die Vereinbarkeit der Servicekundenstrategie mit den Grundwerten der Institute muss gegeben bleiben. Die Maxime „Jeder Mensch hat Respekt verdient“ wird bei Umsetzung einer neuen Servicekundenstrategie im Omnikanalmodell die Akzeptanz bei Kunde und Mitarbeiter sichern.

Wie vereinbaren Regionalbanken diese Leitplanken mit der Reduktion oder bestenfalls Umkehrung negativer Deckungsbeiträge? Hierzu gibt es zwei Hebel: Erstens eine erhöhte Effizienz in der Versorgung von Servicebedürfnissen und zweitens die effektivere Gestaltung von Vertriebsangeboten. Es gilt, den institutsspezifischen Mix beider Ansätze zu finden.

Maßgeblich sind die Kapazitäten in Vertrieb und Service. Stehen nach einer angemessenen Betreuung der höheren Segmente noch ausreichend Kapazitäten für die Servicekunden bereit, besteht kein Anlass zur Kundenlenkung in effizientere Kanäle. Dies kann man sich aus der Personalkostensicht nicht leisten und meist scheitert es auch hier an der Rekrutierung von Personal.

Die segmentorientierte Kundenreise

Zur effizienten Versorgung von Kundenbedürfnissen und Gestaltung effektiver Vertriebsangebote bietet sich die segmentorientierte Kundenreise an. Ihre Herausforderung liegt darin, persönliche Affinitäten der Kunden mit ökonomischen und potenzialorientierten Kriterien in Einklang zu bringen.

Bei aller Individualität soll eine für den Kunden ansprechende und für die Bank rentable Kundenbeziehung ermöglicht werden. Dabei ist es als unrentabel anzusehen, für jedes Segment Absprungpunkte aus dem digitalen ins persönliche Banking anzubieten.

Häufig werden Kundenreisen auf Grundlage des Bedürfnisses gestaltet. Es gilt: das eine Bedürfnis entspricht der einen Kundenreise. Dies führt dazu, dass die angebotene Kundenreise für jedes Segment gleich viel kostet, aber nicht jedes Mal rentabel ist. Das ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn dem Servicekunden persönliche Ansprechpartner angeboten werden. Für Kundenreisen und Omnikanalangebote gilt „one-size-fits-all“ also nicht.

Am effizientesten erfüllen Servicekunden ihre produktorientierten Bedürfnisse mittels „Selbstservice beziehungsweise Selbstberatung“ ausschließlich im digitalen Kanal. Hierzu ist die notwendige Bedingung mindestens die Kundenreise, die ohne Kanalbruch rein digital abgeschlossen werden kann – gerne ergänzt um Kommunikationsinstrumente wie Chat- oder Sprachroboter.

Das Produkt- und Leistungsportfolio wird so ausgerichtet, dass alle relevanten Bedürfnisse vom Kunden selbst erfüllt werden können. Die Filiale soll als persönlicher und das KundenServiceCenter (KSC) als digital-persönlicher Kanal dienen. Zugegebenermaßen ist dies sowohl technisch als auch kulturell für die meisten Regionalbanken noch nicht umsetzbar.

Was kann eine Regionalbank heute tun?

Wie verfolgt eine Regionalbank diese Strategie, ohne auf eine ausstehende technische Umsetzung oder den „richtigen Moment“ warten zu müssen? Folgende Eckpunkte sind heute bereits umsetzbar:

  • Sich bewusstmachen, dass die „Treppe von oben gekehrt werden muss“: Mögliche Potenziale der Servicekunden können nur die Mitarbeiter heben, deren Einsatz in höheren Segmenten entbehrlich wäre. Aber Vorsicht: Enthält „mein Servicekundensegment“ nur theoretische Potenziale oder echte Ertragsmöglichkeiten?
  • Vertriebs- und Servicekanäle homogen ausbauen und auf jeden Fall die digitale Kundenreise im Blick behalten
  • Kulturell darauf ausrichten, dass nicht jeder Kunde in der Zukunft jeden Kanal nutzen kann, dabei jedoch die Maxime „Jeder Mensch hat Respekt verdient“ beibehalten
  • Für eine Übergangszeit wird das digital-persönliche Banking notwendig sein. Hohe Abschlussquoten im KSC und erste Lenkmechanismen zahlen auf die Akzeptanz bei Kunden und Mitarbeitern ein
  • Alle Servicekunden in einer zentralen Einheit „verwalten“. Diese muss nicht direkt erreichbar sein und ist im Wesentlichen in der Sachbearbeitung tätig
  • Übergangsweise geringe Beraterkapazitäten für besondere Bedürfnisse als Ventillösung vorhalten
  • Vertriebsimpulse für Servicekunden automatisieren und diese im digitalen Banking ausspielen
  • Solange der persönliche Kanal grundsätzlich zur Verfügung steht, wird dieser auch genutzt. In einigen Situationen ist es nicht anders darstellbar

Die Integration einer Effizienzstrategie für Servicekunden im Kontext des Omnikanalmodells ist ein Marathon. Nicht nur aufgrund der Größe des Segments lohnt es sich aber, diesen zu bestreiten.

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