„Banken sind heute Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.“

Als traditionsreiche Bank hat die IKB Deutsche Industriebank bereits einige Krisen erlebt. Vorstand Steffen Zeise erklärt im Interview, inwiefern er die aktuelle Krise sogar als Gemeinschaftserlebnis für Banken betrachtet und wie die Zukunft des Plattformgeschäfts aussieht.


BANKINGNEWS: Die IKB Deutsche Industriebank – die Gründung erfolgte 1924 – blickt auf eine fast 100-jährige Geschichte zurück in der es auch einige Krisen zu bewältigen gab. Was unterscheidet die Bankenkrise von 2007 von der heutigen Situation?
Steffen Zeise: Ich glaube nicht, dass wir aktuell eine Bankenkrise haben. Heute sind die Herausforderungen vielschichtiger als damals – und sie sind nicht von Banken gemacht. Der europäische Bankplatz ist inzwischen resilient und in den Geldinstituten selbst ist ausreichend Eigenkapital vorhanden. Ich denke, wenn wir es schaffen uns aus diesem schwierigen, wirtschaftlichen Umfeld heraus zu verändern, sind Banken – auch wir als IKB – Teil der Lösung. Wenn man etwa die Klimakrise nimmt, dann hat diese ja globale Auswirkungen, auch auf Deutschland und auf unsere Unternehmen, die wiederum global agieren. Der entscheidende Unterschied zu 2007 ist: Krise fühlt sich heute eher wie ein Gemeinschaftserlebnis an. Wir sind alle drin, und wenn man es positiv betrachtet, dann müssen wir es auch alle zusammen wieder herausschaffen. Im Moment sind Banken daher Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.

Inwiefern würden Sie die Erfahrungen von 2007 als Vorteil begreifen?

Ich glaube, die Weltfinanzkrise hat erstmal vielen Unternehmen deutlich gemacht, dass sie nicht zu sehr von Banken abhängig sein dürfen. Durch die Krise waren auf einmal Eigenkapitalquoten und Liquidität wieder zentrale Themen. In der Folge haben Unternehmen ihre Gewinne wieder vermehrt im Unternehmen belassen oder sie haben reinvestiert. Unternehmen haben sich also besser kapitalisiert, zumindest die größeren Mittelständler. Und in der Coronakrise ist allen klar geworden: Die Märkte sind auf einmal abgeschottet. Liquidität ist selbst in den eigenen Teilmärkten nur eingeschränkt verfügbar, und wenn Lieferketten instabiler werden, braucht es ebenfalls mehr Mittel. Allerdings wurden Vorsorgemaßnahmen auch schon vor Corona getroffen. Das zeigen Kreditlinien unserer Kunden aus dieser Zeit. Man hat sich globale Cash Pools gebaut und Zielkonten eingerichtet, unsere Kunden verfügen überwiegend über globale Liquidität. Daher sind sie aus meiner Sicht heute resilienter finanziert.

Kommt die Krise, der Ihre Unternehmen ausgeliefert sind, auch bei Ihnen als Bank an?
Bisher kaum. Die meisten unserer Kunden sind erst mal vom Umsatzvolumen groß. Sie sind in der Regel international aktiv, damit also global profitabel und haben eine gute, diversifizierte Aufstellung als Unternehmen, sind gut kapitalisiert und resilient. Ausnahmen gibt es immer, aber in der Regel sehen wir das auch an den stabilen Bonitäten.

Je größer eine Finanzierung, desto maßgeschneiderter muss sie sein.

Auf Ihrer Webseite ist zu lesen, dass Sie ein „ausgeprägtes Verständnis für Mittelstandsthemen“ haben. Was ist „der Mittelstand“ für Sie und was macht diesen aus Ihrer Sicht aus?
Unsere Kunden sind überwiegend größere Familienunternehmen. Obwohl sie eine signifikante Größe besitzen, sind sie oft Lieferant für jemanden, der noch größer ist. Das bedeutet, unsere Kunden stehen meist wirklich in der Mitte der Wertschöpfung, auch auf globaler Basis. Diese Mittelposition ist investitionsgetrieben, muss kontinuierlich mitwachsen und innovativ sein. Wir sind spezialisiert auf Investitionen, die wir für unsere Kunden finanzieren. Das geht jedoch nicht in der Breite, weil die Lösungen meistens maßgeschneidert sind. Ich würde sagen, der typische IKB-Kunde erzielt einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr.

Sie betreuen Unternehmen aus diversen Branchen. Wie wichtig ist die Kenntnis der Produkte und des jeweiligen Marktumfeldes?
Extrem wichtig. Nur, wenn wir den Sektor und den Kunden verstehen und darauf basierend eine Lösung kreieren, entscheidet sich der Kunde für uns. Er soll an uns denken, sobald er überlegt zu investieren. Wir müssen im Sektor beim jeweiligen Unternehmen wissen, warum es investieren muss, sogar bevor das Unternehmen es selbst weiß. Und wenn der Kunde investiert, müssen wir wissen, wie am besten.

Unsere Kunden stehen meist wirklich in der Mitte der Wertschöpfung.

Sie haben keine Schalter. Wie stellen Sie eine vertrauensvolle und enge Kundenbindung sicher?
Sie haben ja bereits erwähnt, die IKB ist schon fast hundert Jahre am Markt. Und einige unserer Kunden gibt es genauso lang oder sie sind noch älter, also Traditionsunternehmen mit langer Geschichte. Entsprechend sind die Kundenbeziehungen oft über Jahrzehnte gewachsen und es entstehen persönliche Beziehungen zwischen den jeweiligen Firmenbetreuern und den Eignern. Das ist ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal, das wir im deutschen Markt haben.

Und wie bekommen Sie den Fuß in die Tür bei Unternehmen, die für gewisse Leistungen auch eine andere Bank aufsuchen könnten?
Wenn ich als mittelständisches Unternehmen eine M&A-Transaktion plane und hier eine einmalige unternehmenstransformierende Akquisition durchführe, lasse ich mich von darauf spezialisierten Partnern beraten. Langfristige Finanzierungen hingegen sind das Thema der IKB Deutsche Industriebank: Wir vermitteln zum Beispiel Fördermittel, bauen eine Struktur und organisieren ein Projekt von A bis Z. Und dafür greifen wir auf unsere regionalen Netzwerke zurück. Unsere Firmenkundenberater in den Niederlassungen müssen wissen, was in welcher Industrie läuft und bei welchem Kunden. Die Kunden müssen sicher spüren, der kriegt das hin, und zwar nicht in elf Wochen, sondern zeitnah und verbindlich. Wenn wir diese Haltung vermitteln können, vertrauen uns auch neue Kunden, die vorher nicht mit uns gearbeitet haben.

Nur, wenn wir Sektor und Kunden verstehen und eine Lösung kreieren, entscheiden sich die Unternehmen für uns.

Ende 2020 haben Sie bekanntgegeben, mit Hypoport bei der Corporate Finance Plattform fundingport zu kooperieren. Welche Strategie verfolgen Sie damit?
Die Grundidee war es neue Kundengruppen zu erschließen, mit einem Partner, der das technologische Know-how mitbringt, eine entsprechende Plattform zu bauen und die Kreditvergabe im Mittelstand transparenter zu machen. Wir werden damit auch zum Ansprechpartner für kleinere Kunden, zum Beispiel einen 25-Millionen Euro-Mittelständler im Sauerland, der eine Windkraftanlage auf Usedom kaufen möchte. Bei seiner Hausbank ist dieser Mittelständler vielleicht schon am maximalen Kreditlevel angekommen oder es wird durch den Projektfinanzierungscharakter zu komplex. Weiterhin eröffnet die Vergleichbarkeit von passenden Angeboten des Marktes neue Möglichkeiten, die er mittels Plattformtechnologie erhält. Das Konstrukt ist kundenorientiert aufgebaut: Wir erfassen die wesentlichen Daten zum Kunden und der Investition, versehen es gewissermaßen mit einem IKB-Qualitätsstempel und matchen es mit den dafür passenden Banken. Diese können sich über die Plattform neue Kunden erschließen und ihr Risiko streuen. Eine win-win-Situation für alle Beteiligten.

Welche Bedeutung hat das Plattformgeschäft für die Finanzbranche?
In Deutschland ist die „Plattformisierung“ im Privatkunden- und Immobiliengeschäft schon etabliert. Circa 60 Prozent der privaten Immobilienkredite laufen mittlerweile über Plattformen wie „Eurospace“ aus dem Hause Hypoport, unser Joint Venture-Partner, der Marktführer in diesem Segment ist. Warum ist das noch nicht so beim Firmenkundengeschäft? Weil die Komplexität einfach eine ganz andere ist. Bei unserem „klassischen“ IKB-Kunden aus dem gehobenen deutschen Mittelstand geht es darum, welche Covenants er in der Finanzierung hat, welche Besicherungsstruktur, und dann setzt er obendrauf noch einen Windpark in einem Joint Venture mit einer Kreditlaufzeit über 15 Jahre. Unsere Ansprechpartner haben komplexe Situationen, und diese muss man auch buchstäblich besprechen.

Es gibt Wettbewerber, die einen hundertseitigen Kreditantrag für ein millionenschweres Projekt samt Genehmigung komplett als digitalen Prozess anbieten möchten. Wie bewerten Sie das?
Einen 500 Millionen-Kredit über eine Eingabemaske zu digitalisieren, halte ich für sehr ambitioniert. Je größer der Beratungsansatz, je höher die reine Kreditsumme und die Komplexität in der Struktur, desto höher ist auch das Risiko für die Bank und der Beratungsbedarf für den Kunden. Bei unserem klassischen Kunden beträgt der Durchschnittskredit weit über 25 Millionen Euro und das ist natürlich sowohl für den Kunden relevant als auch für uns. Es hat einfach einen Wert in dieser komplexen Welt zu wissen, wer was kann. Und unser Ansatz spiegelt sich daher nicht im billigsten Preis. Der Kunde muss am Ende auf die Prozesse der Bank vertrauen können. Das nimmt Zeit in Anspruch. Deshalb ist auch bekannt, einen Kredit gibt es im Firmenkundengeschäft nicht sofort.

Wenn schon nicht sofort, dann aber zumindest digital.
Die Frage lautet: Was kann Digitalisierung in unserem Kontext? Für uns bedeutet Digitalisierung, dass wir ein digitales anbieten, das Plattform-kompatibel ist und ein Netzwerk möglicher Finanzierer anbietet. Für uns ist es wichtig zu verstehen und zu lernen, wie das Firmenkundengeschäft der Zukunft sein wird und wie wir das jetzt schon skalieren können. Auch beim Start der ersten Baufinanzierungsplattformen konnten sich viele nicht vorstellen, wie sich dieses Produkt digitalisieren lassen soll. Die IKB ist offen, Wege zu suchen und die Chancen der fortschreitende Digitalisierung in der Kreditvergabe an den Mittelstand zu nutzen.

Unsere Ansprechpartner haben komplexe Situationen, und diese muss man auch buchstäblich besprechen.

Die Rufe nach einer nachhaltigeren Ausrichtung der Wirtschaft sind laut. Wie bewerten Sie die entsprechenden politischen Initiativen und deren Umsetzung bei den Unternehmen?
Ohne dass die IKB auf irgendeinen Zug aufspringen oder sich dafür grün anmalen muss, entspricht das unserer DNA. Das sind Investitionsentscheidungen, die heute für die Zukunft getroffen werden. Und nahezu jede Investitionsentscheidungen wird auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlen, weil die Produktion nachhaltiger und die Energieversorgung grüner wird.

Eher Chance oder eher Risiko?
Weil wir früh dran sind und die Sektoren verstehen, ist das erstmal für uns ein reiner Chancenmarkt. Wir haben auch ein eigenes ESG-Advisory und beraten die Kunden auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die Risiken sind bei uns genauso hoch wie bei allen anderen Banken. Gleichzeitig sind für uns die Chancen bei diesem Thema sehr hoch durch unsere langjährige Partnerschaft mit der KfW und unsere Historie als Finanzierer von Transformationsprojekten. Und das kommt auch bei den Mitarbeitern hier wirklich gut an. Es ist heute nicht der Ober-Hype, Banker zu werden. Aber wir finden echt tolle junge Leute, die an diesen Zukunftsthemen mitwirken möchten und die auch die Zusammenarbeit als frisch und hands-on empfinden.

Interview: Thorsten Hahn

Das Foto zeigt Steffen Zeise, Vorstand der IKB Deutsche Industriebank AG, in einer Interview-Situation.

Steffen Zeise

Vorstand der IKB Deutsche Industriebank AG

Im Vorstand der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortet Steffen Zeise das Firmenkundengeschäft, inklusive digitalem Finanzierungsmarktplatz, Kapitalmarkt und Produkte sowie die Konzernkommunikation.

Zuvor war der diplomierte Bankbetriebswirt unter anderem als Co-Head für das Corporate Banking der HSBC zuständig.


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