Das Superwahljahr neigt sich dem Ende, knapp die Hälfte der Weltbevölkerung war 2024 zu Parlamentswahlen aufgerufen. Einmal mehr hat sich die rechtskonservative Erfolgswelle fortgesetzt. Idealtypisch verkörpert wird dieser Trend durch die neue US-Regierung: Mit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus werden die geopolitischen Konfliktlinien neu gezogen und verlaufen künftig mitten durch den Westen. Dank Mehrheit in beiden Kongresskammern kann Trump unverzüglich mit der Umsetzung seiner „Make America Great Again“-Agenda beginnen. Für die USA impliziert das Steuersenkungen und Deregulierung, der Rest der Welt wird mit höheren Zöllen belegt – was neben China vor allem die leidgeplagten Europäer trifft.
Mit Deutschland und Frankreich bleiben die beiden Schrittmacher Europas bis auf Weiteres politisch gelähmt. Das schwächt den alten Kontinent ausgerechnet in Zeiten gewaltiger politischer und wirtschaftlicher Umbrüche. Aus europäischer Perspektive könnten die konjunkturellen Startbedingungen mit Blick auf das Jahr 2025 kaum ungünstiger sein. Die Industrie und das Baugewerbe liegen seit dem Energiepreis- und Zinsschock des Jahres 2022 am Boden, der Zollkonflikt mit den USA droht die Lage weiter zu verschärfen.
Ohne jeden Zweifel ist das Risiko eines heftigen Stimmungsdämpfers nach dem Machtwechsel im Weißen Haus am 20. Januar 2025 groß. Wir gehen dementsprechend davon aus, dass die richtungsweisenden Konjunkturbarometer der Eurozone im ersten Quartal nochmals gehörig unter Druck geraten werden.
Allerdings wäre ein eskalierender Handelskrieg auch für die US-Wirtschaft nicht ohne Risiken. Wir rechnen zwar mit steigenden Zollsätzen, schließlich erheben Chinesen und Europäer höhere Zuschläge als die USA – an dieser Stelle hat Trump also durchaus einen Punkt. Letztlich liegt es aber im Interesse aller, sich rasch auf Deals zu verständigen, um einen kostspieligen Handelskrieg abzuwenden. So könnten sich die Europäer verpflichten, ihre wachsenden Verteidigungsbudgets für Einkäufe bei US-Rüstungsschmieden zu nutzen. Nach dem anfänglichen Schock dürften die Unternehmen den Blick somit wieder stärker auf die konjunkturellen Chancen richten.
So wird die Fiskalpolitik auch 2025 weltweit ein Ausgabenfeuerwerk abbrennen. Neben den USA geht auch China dazu über, die lahmende Wirtschaft über höhere Staatsdefizite anzukurbeln. Selbst in Europa wird die Front der Verteidiger einer stabilitätsorientierten Haushaltspolitik immer brüchiger.
Hinzu kommt, dass die Geldpolitik ihren restriktiven Kurs rund um den Globus verlassen hat, was die Finanzierungskonditionen und damit die Konjunktur beflügelt. Die Banken beobachten bereits europaweit eine zunehmende Nachfrage nach Hypothekenkrediten. Der Tiefpunkt der Baukonjunktur dürfte somit durchschritten sein.
Auch in der Industrie sollten sich die Sorgenfalten im Jahresverlauf glätten. Ein Grund sind die stark gesunkenen Lagerbestände an Roh- und Fertigwaren, die über kurz oder lang wieder aufgefüllt werden müssen. Auch bei den Ersatzinvestitionen in Maschinen und Anlagen hat sich Nachholbedarf aufgestaut. Beides spricht für eine Erholung der Unternehmensinvestitionen – ohne dass die Bäume deswegen gleich in den Himmel wachsen.
Darüber hinaus werden auch die Verbraucher ihren Gürtel wieder etwas lockerer schnallen. Dank üppiger Lohnabschlüsse in 2023 und 2024 sind die Realeinkommen deutlich gestiegen. Die sich leicht aufhellende Verbraucherstimmung stützt die Hoffnung auf ein stärkeres Wachstum der Konsumausgaben.
Zusammengenommen kündigt sich, nach einem schwachen Jahresauftakt, für den Verlauf des kommenden Jahres eine spürbare konjunkturelle Belebung an. Das Wirtschaftswachstum der Eurozone dürfte im zweiten Halbjahr sogar wieder klar oberhalb der Potenzialrate liegen (annualisiert > 1,0%) – erstmals seit Ausbruch des Ukrainekriegs.
In Anbetracht dessen wird es auch nicht lange dauern, bis die Inflation erneut nach oben dreht. Europaweit trifft die konjunkturelle Wiederbelebung auf einen engen Arbeitsmarkt, sodass von den Löhnen die nächste Preissteigerungswelle in Gang gesetzt werden dürfte. Darüber hinaus ist wegen der weltweit anziehenden Industriekonjunktur mit kräftigen Preisanstiegen bei Industriemetallen zu rechnen.
Der seit Mitte 2023 anhaltende Entspannungstrend bei den Inflationsraten dürfte daher 2025 auslaufen. Wir gehen davon aus, dass die Kerninflationsrate der Eurozone im Laufe des ersten Halbjahrs vorübergehend unter die magische 2,0%-Marke fällt, aber bereits im zweiten Halbjahr wieder über die Schwelle zurückkehren wird.
Das bedeutet, dass sich die Vorzeichen für die Geldpolitik umkehren werden. Die EZB dürfte den Zinssenkungszyklus zwar zunächst fortsetzen und den Einlagensatz bis zum Frühsommer auf 2,00% bis 2,25% und damit ein annähernd neutrales Niveau verringern. Mit fortschreitender Zeit rückt indes die Aufhellung der konjunkturellen Perspektiven und die damit einhergehende Reflationierung der Eurozone in den Vordergrund, weshalb Ende 2025 die Diskussion über
die nächste Zinserhöhungsrunde einsetzen sollte.
Die EUR-Anleihenmärkte erhalten somit noch bis ins zweite Quartal 2025 hinein Rückenwind, weswegen die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen zu Jahresbeginn temporär unter die 2,00%-Marke tauchen dürften. Ab dem Frühjahr, wenn sich der geopolitische Nebel zu lichten beginnt, wird das Umfeld indes rauer. Bei langen Laufzeiten dürften Zinssenkungserwartungen ausgepreist werden, was die Renditen in die Höhe treibt. Die laxe Fiskalpolitik wirkt dabei zusätzlich als Brandbeschleuniger, der die Laufzeitenprämie signifikant steigen lassen dürfte. Zehnjährige Bundesanleihen bewegen sich daher im zweiten Halbjahr wieder in Richtung der 3,00%-Marke. Die Zinskurve wird sich dann vom langen Ende her versteilern (Bear-Steepening), wobei der Spread zwischen zehnjährigen und dreimonatigen Fälligkeiten erstmals seit Ende 2022 wieder positives Terrain erreichen sollte.
Die Abkehr von stabilitätspolitischen Grundwerten treibt aber nicht nur die Renditen in die Höhe, sie trägt auch zur Kompression der Risikoprämien an den Kreditmärkten bei. Damit verlieren Staatsanleihen im Vergleich zu anderen Anleihensegmenten an Attraktivität. Entsprechend gehen wir sowohl bei den Swapsätzen als auch bei Unternehmensanleihen von strukturell tieferen Aufschlägen gegenüber Staatsanleihen aus. Spreadprodukte dürften daher auf der Überholspur bleiben, inflationsbesicherte Anleihen nach einer längeren Schwächephase dorthin zurückkehren.
Die Aktienmärkte stehen 2025 vor einer Achterbahnfahrt. Während die verbesserten konjunkturellen Perspektiven eine Fortsetzung der Hausse nahelegen, mahnen hohe Bewertungen und optimistische Gewinnerwartungen zur Vorsicht. Hinzu kommt das bedenkliche Konzentrationsrisiko in US-Tech-Titeln und die von politischer Seite induzierte Volatilität. Wir rechnen daher im ersten Halbjahr mit einem empfindlichen Rücksetzer.
Fazit: Bei allen Unwägbarkeiten ist eines gewiss – das Jahr 2025 wird spannender als 2024. Beim Management von Zinsänderungsrisiken ist ein gutes Händchen gefragt, die Portfolioduration sollte im Jahresverlauf verringert werden. An den Aktienmärkten ist eine starke Defensive Trumpf – zumindest im ersten Halbjahr.

Harald Preissler
Dr. Harald Preißler ist Kapitalmarktstratege sowie Aufsichtsratsvorsitzender der Bantleon Gruppe, Hannover, und Vizepräsident des Verwaltungsrates der Bantleon AG, Zürich.