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Familienangelegenheiten

Trotz guter Quartalszahlen droht der Commerzbank im September der Abstieg aus dem Dax. Besonders in Krisenzeiten müssen Familien zusammenhalten.


Sie wirkt überaltert und nur noch wie ein Schatten ihrer glorreichen Vergangenheit. Ihr droht das frühzeitige Ausscheiden, obwohl sie früher für Erfolg stand und zu den klaren Favoriten gehörte. Im Sommer 2018 hätten sich diese Aussagen sowohl auf die deutsche Fußballnationalmannschaft als auch auf ihren Sponsor, die Commerzbank, beziehen können. Denn die Aktie der Commerzbank hat seit Jahresbeginn rund 30 Prozent ihres Wertes verloren und droht im Herbst sogar aus dem Dax zu fliegen. Ausgerechnet das vergleichsweise junge Fintech Wirecard könnte das knapp 150 Jahre alte Dax-Gründungsunternehmen bald ersetzen. Hat also die Commerzbank, wie auch die Nationalmannschaft, schlicht den Generationswechsel nicht geschafft? So scheinen es zumindest die Anleger zu sehen: Während die Aktie der Commerzbank stark an Wert verloren hat, legte Wirecard seit Anfang des Jahres einen steilen Kursanstieg von über 50 Prozent hin.

Zurück zum elterlichen Nest

Viele Menschen befinden sich irgendwann in ihrem Leben in der Situation, dass die Eltern nicht länger für sich selbst sorgen können. Wenn die staatliche Unterstützung nicht ausreicht, kann das in seltenen Fällen sogar dazu führen, dass die erwachsenen Kinder in das elterliche Nest zurückkehren müssen, um die Betreuung der Eltern in die eigene Hand zu nehmen. Da auch die Commerzbank diesmal nicht auf staatliche Hilfe hoffen kann, liegt es jetzt vielleicht an ihren Töchtern, dem kränkelnden Mutterkonzern zu helfen. Ein Glück, dass das Tochterunternehmen mBank bereits Pläne schmiedet, nach Westeuropa, unter anderem auch nach Österreich und Deutschland, zu expandieren. Die polnische Direktbank gilt schon lange als der Innovationstreiber der Commerzbank. Es war sicherlich kein Zufall, dass man im Jahr 2016 Jörg Hessenmüller von der mBank als Vorstand in den Konzernbereich Entwicklung und Strategie der Commerzbank holte, als es darum ging, die Bank zum digitalen Technologieunternehmen zu transformieren. Könnte die Expansion der mBank also den Platz der Commerzbank im DAX langfristig festigen? Das würde zunächst erstmal voraussetzen, dass diese es aus eigenen Stücken schafft, den Fall aus dem Dax abzuwenden. Die vagen Pläne einer Expansion werden bis September wenig dazu beitragen, die Notierungen der Commerzbank zu verbessern. Kritische Stimmen warnen zudem davor, dass die mBank mit der bereits in Deutschland etablierten Direktbank-Tochter comdirect konkurrieren müsste.

Absage an das Projekt Copernicus

Da der deutsche Markt im Privatkundengeschäft stagniert und auch der Ertragspool im Firmenkundengeschäft bis 2020 kaum wachsen wird, werden Geschäfte im Ausland für Banken immer attraktiver: Vor allem der Osten ist als wachstumsstärkste Region Europas ein zukünftig hochinteressanter Markt. Kein Wunder also, dass die in Polen, der Slowakei und Tschechien gut etablierte mBank im Begriff ist, zur neuen Lieblingstochter aufzusteigen. Das heißt jedoch nicht, dass die comdirect dadurch die Rolle des ungeliebten Stiefkindes einnimmt. Der Privatkundenchef der Commerzbank Michael Mandel gab erst kürzlich bekannt, dass man das mit der mBank geplante Projekt Copernicus und somit die Pläne für eine neue europäische Onlinebank vorerst aufgebe. Welche Auswirkungen das auf die Expansion der mBank nach Westeuropa haben wird, ist noch unklar. Die Commerzbank gibt mit dieser Absage jedoch ein klares Signal, dass sie ein Zerwürfnis zwischen ihren beiden Töchtern nicht riskieren wird.