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Das Hinweisgeberschutzgesetz – Strenges Meldeverfahren und Fachkundenachweis

Neue Anforderungen an den Hinweisgeberschutz zwingen Finanzunternehmen zum Handeln. Was sie jetzt beachten müssen, erklärt Dr. Marcus Sonnenberg, Rechtsanwalt im Bank- und Kapitalmarktrecht.


FangXiaNuo via Getty Images

Nach jahrelangem zähem Ringen ist am 12. Mai 2023 das Hinweisgeberschutzgesetz final verabschiedet worden. Es verpflichtet Unternehmen interne Meldestellen zu betreiben, bei denen Beschäftigte Missstände melden können. Das Gesetz wird voraussichtlich Ende Juni 2023 in Kraft treten.

Alle Unternehmen und alle öffentlichen Stellen mit mindestens 50 Beschäftigten müssen den neuen Hinweisgeberschutz beachten. Daneben sind eine Reihe von Unternehmen unabhängig von ihrer Beschäftigtenanzahl betroffen (u.a. Banken, Wertpapierhandelshäuser, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Versicherer).

Was muss bei Meldungen beachtet werden?

Im Zentrum steht die Pflicht zum Betreiben einer internen Hinweisgeberstelle. Als Meldekanal für die Beschäftigten kann z.B. eine telefonische Hotline, eine Post- oder E-Mail-Adresse sowie ein elektronisch betriebenes Hinweisgebersystem dienen.

Von besonderer Bedeutung ist die Wahrung der Vertraulichkeit im Meldeverfahren. Mitarbeiter von Meldestellen müssen dafür sorgen, dass die Identität der hinweisgebenden Personen und in der Meldung genannte Personen nur ihnen selbst bekannt wird.

Geht eine Meldung ein, so muss ein fristgebundenes Verfahren eingehalten werden. Dabei ist der Eingang zu bestätigen und spätestens nach drei Monaten eine Rückmeldung zu geben. Der Sachverhalt ist zeitnah zu prüfen und Folgemaßnahmen (z.B. interne Untersuchungen) sind zu ergreifen. Nach Abschluss des Verfahrens ist der Vorgang drei Jahre aufzubewahren.

Neben einer internen Meldung haben Hinweisgeber auch die Möglichkeit einen Verstoß bei einer externen Meldestelle zu melden (u.a. bei der BaFin).

Wie muss mit anonymen Meldungen umgegangen werden?

Der ursprüngliche Gesetzentwurf enthielt eine Verpflichtung zur Ermöglichung einer anonymen Kommunikation mit den Hinweisgebern. Dieser Punkt wurde schlussendlich entschärft. Meldekanäle müssen nun keine Abgabe anonymer Meldungen und keine anonyme Kommunikation ermöglichen.

Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch anonyme Meldungen grundsätzlich angenommen und bearbeitet werden müssen. Dies ergibt sich nicht explizit aus dem Hinweisgeberschutzgesetz, dennoch gilt für Unternehmen im Finanzbereich eine defacto Bearbeitungspflicht. Grund hierfür ist, dass zur Vermeidung und Aufdeckung von Verstößen angemessene Maßnahmen zu ergreifen sind. Hierzu gehört insb. die Auswertung aller eingehenden Hinweise.

Dies sind auch die Lehren der vergangenen Jahre. Gerade im Finanzbereich können anonyme Meldungen brisante Informationen enthalten. Man erinnere sich nur an die entscheidenden Hinweise von Whistleblower im Wirecard-Skandal.

Welche Neuerungen gibt es im Finanzsektor?

Im Finanzbereich gelten schon seit Jahren Vorgaben zum Hinweisgeberschutz. Die bestehenden Meldesysteme müssen jedoch mit den neuen Vorgaben in Einklang gebracht werden. Dies betrifft insbesondere den Verfahrensablauf, die Beachtung neuer Fristen und den Nachweis der Fachkunde der Meldestellenmitarbeiter.

Was ist unter „Fachkunde“ zu verstehen?

Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält strengen Vorgaben bzgl. der Arbeit der Hinweisgeberstelle.

Die Mitarbeiter der Meldestelle müssen zum einen in der Lage sein, zu prüfen, ob der gemeldete Verstoß auch nach den Hinweisgeberschutzgesetz meldefähig ist. Zum anderen müssen auch die hohen Anforderungen an die vertrauliche Behandlung der Meldung erfüllt werden. Schließlich wird auch erwartet, dass die Meldestelle in der Lage ist, die notwendigen Folgemaßnahmen durchzuführen, wie insb. die Einleitung von internen Untersuchungen.

Um die hierfür notwendige Qualifikation sicherzustellen, besteht eine Ausbildungs- bzw. Fortbildungspflicht. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Meldestellenmitarbeiter über die notwendige Fachkunde verfügen.

Diese gesetzliche Pflicht zum Nachweis der benötigten Qualifikation ist für Banken und andere Finanzunternehmen neu. Bisher wurde hier lediglich gefordert, dass die Hinweisgeberstelle „geeignet“ sein muss. Dementsprechend verfügen die meisten Meldestellenmitarbeiter im Finanzsektor derzeit über keine entsprechenden Fachkundenachweise.

Die Fachkunde sollte über entsprechende Qualifikationsnachweise dokumentiert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Fachkunde (insbesondere im Rahmen der Jahresabschlussprüfung) prüfungsfest nachgewiesen werden kann.

Qualifikationsnachweise können insbesondere durch Schulungen erworben werden, z.B. durch Online-Kurse. Fortbildungen, die eine Überprüfung des vermittelten Wissens nachweisen (z.B. durch Abschlusstest), gelten dabei als deutlich aussagekräftiger.

Wichtig: Die Anforderung der notwendigen Fachkunde bezieht sich auf alle Mitarbeitenden der Meldestelle. Dies sind mindestens zwei Personen (Meldestellenmitarbeitende und mindestens ein Stellvertreter). Nur auf diese Weise kann die ununterbrochene Funktionsfähigkeit der Meldestelle sichergestellt werden (z.B. bei Urlaub oder Krankheit).

Fazit: Finanzunternehmen verfügen bereits über Hinweisgebermeldestellen. Die Meldestellen sind aber an die neuen Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes anzupassen. So müssen insbesondere die betreffenden Prozesse überarbeitet werden. Weiter sind die Mitarbeiter über die Meldemöglichkeiten klar und verständlich zu informieren. Schließlich darf die Qualifizierung der Meldestellenmitarbeiter nicht vergessen werden! Aufgrund der gestiegenen Anforderungen an die Meldebearbeitung ist deren Fachkunde durch geeignete Schulungsmaßnahmen nachzuweisen.

Dr. Marcus Sonnenberg

Rechtsanwalt im Bank- und Kapitalmarktrecht

Dr. Marcus Sonnenberg ist Rechtsanwalt und Autor im Bereich Compliance. Daneben bildet er seit mehreren Jahren Geldwäschebeauftragte im Finanzbereich aus. Privat betreut Herr Sonnenberg auch einen Blog für Geldwäschebeauftragte. Unter https://www.hilfssheriff.de/newsletter/ kann man sich für den regelmäßig erscheinenden Newsletter zum Thema Geldwäsche anmelden.