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Kundenerlebnisse zwischen digital und persönlich

Selbst ist der Kunde. Ja, aber er möchte auch nicht völlig allein gelassen werden. Effiziente digitale Antragsstrecken sind gewünscht, persönliche Beratung und ein Ansprechpartner im Notfall ebenso. Finanzdienstleistungen werden zum Balanceakt und Banken zu Trapez-Künstlern.


Kunden, Kundenerlebnis

Nach Corona ist die Welt ein ganzes Stück digitaler geworden. Die Akzeptanz der Online-Angebote der Banken hat in Folge der Pandemie generationsübergreifend zugenommen. Ein Accenture-Bericht besagt, dass 2020 etwa die Hälfte der Verbraucher mindestens einmal pro Woche über mobile Apps oder Websites mit ihrer Bank interagiert haben. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 32 Prozent.

Eine Entwicklung, die bleibt. In der „Consumer Digital Survey 2021“ von Nuance gab knapp die Hälfte der Befragten in Deutschland an, dass sie auch nach der Corona-Krise vermehrt digital mit Unternehmen in Kontakt treten möchten. Das Kontaktverhalten hat sich gewandelt. Banken sollten darauf reagieren und digitale Services ausbauen – und damit auch ihre Erfolgschancen.

Alles, zu jeder Zeit

Die technischen Ansprüche der Kunden sind bekanntermaßen hoch. Schlagworte wie „nahtlos“, „kanalübergreifend“, „einfach“, „zentral“ und „schnell“ fallen hier immer wieder gerne. Genau wie bei den Big Techs soll es sein. Hyperpersonalisierte Angebote und Informationen in Echtzeit werden als gegeben vorausgesetzt.

Von Bankenseite dafür vorausgesetzt: 360-Grad-Sicht auf die Kunden, klare Segmentierung, optimierte Datenkonsolidierung und -analyse mittels Künstlicher Intelligenz und eine gut funktionierende Plattformlösung. In diesem Zusammenhang werden auch immer mehr Finanzunternehmen den Sprung in die Cloud wagen (müssen). So haben etwa JP Morgan Chase oder Wells Fargo sowie Deutsche Bank und Commerzbank mit ihrer Cloud-Transformation begonnen.

Dem ein oder anderen wird jetzt auch der Begriff „Super-App“ in den Sinn kommen. In der Tat beginnen diese neben ihrem „Ursprungskontinent“ Asien auch in Südamerika Fuß zu fassen. Als zentraler Ort, an dem sich nahezu alle Lösungen finden, bieten Super-Apps für Kunden maximalen Komfort. Banken können die Daten nutzen, um personalisierte Produkte anzubieten und die Cross-Selling-Rate zu erhöhen.

Self-Service ist beliebt

Entsprechend werden Nutzer online auch immer mehr Kontrolle und Autonomie erhalten. Self-Service-Lösungen sind voll im Trend. Kein Wunder, für einfache Anliegen möchte heute niemand mehr den Weg in die Filiale gehen müssen. Online läuft es einfach schneller und bequemer.

Auch für Banken haben Self-Services einige Vorteile, die im besten Falle zu Wettbewerbsvorteilen werden. Denn sie verringern die Anzahl der Kundenkontakte. Das führt zu Kostenersparnissen und Entlastung der Mitarbeiter. Sie können an anderer Stelle effektiver eingesetzt werden, etwa im persönlichen Kundengespräch.

Damit das auch wirklich funktioniert, müssen die eingesetzten Technologien effizient arbeiten. Andernfalls kann das den Abbruch oder gar die Abwanderung der Kunden zur Folge haben. Verstehen Chatbots und virtuelle Assistenten die Anliegen der Kunden schnell und helfen zielführend, erhöht das die Kundenzufriedenheit und stärkt die Kundenbindung.

Self-Services werden die Bankenwelt Stück für Stück digitaler machen. Und das teilweise im wahrsten Sinne des Wortes, denn laut einer PwC-Studie könnten 2023 etwa 40 Prozent der europäischen Bankfilialen geschlossen werden. Als Hauptgrund nennt die Untersuchung die mangelnde Rentabilität. In Filialen werde immer weniger Geschäft gemacht.

Mit 61 Prozent erwägt die Mehrheit der im Bericht „2021 State of Consumer Banking and Money“ Befragten den Wechsel zu einer reinen Digitalbank. Bei den Millennials und der Gen Z lag der Wert noch höher. Warum viele wechselbereit sind? Mangelnde Zufriedenheit. Wohingegen 79 Prozent der Digitalbank-Kunden ihr Finanzinstitut positiv bewerten, sind es bei den Kunden einer traditionellen Bank nur 66 Prozent. Braucht es Bankfilialen da überhaupt noch?

Das Persönliche nicht vergessen

Das ist nur die eine Seite der Medaille. Persönliche Beratung ist nach wie vor gefragt und gefordert. Die Gefahr ist groß, dass die menschliche Komponente aufgrund zunehmender Digitalisierung in den Hintergrund gerät. Und das kann zum Gefühl fehlender Wertschätzung beim Kunden führen. Laut „Consumer Banking Report 2021“ wünschen sich 34 Prozent der Endkunden nach wie vor persönliche Interaktion mit ihren Banken.

Auch in der hochdigitalisierten Welt zählt eine emotionale Bindung zum Kunden – oder besser gesagt, gerade hier. Eine Umfrage der Zeitschrift Customer Contact Week Digital hat ergeben, dass 68 Prozent der Unternehmen Empathie für die wesentliche Eigenschaft eines Mitarbeiters in ihrem Call Center halten.

Den Bankensektor erwarten große Veränderungen. Immer mehr Player bieten Bankdienstleistungen an und werden zu direkter Konkurrenz. Die Studie „Financial Services: State of the Nation Survey 2021“ von Finastra prognostiziert für Banking-as-a-Service (BaaS) ein beachtliches Wachstum. 85 Prozent der Befragten erwarten, dass diese Lösungen erhebliche Auswirkungen auf die Branche haben werden.

Nur mit einem exzellenten Kundenservice können klassische Banken hier noch punkten. So weit ist das nichts Neues. Doch dabei begegnet ihnen ein altbekanntes Problem: die Theorie in die Praxis umsetzen. Dafür sollten sie problem-, bedarfs- und kundengerecht beraten und Kunden einerseits Freiheit und Unterstützung andererseits bieten. Helfen die etablierten Institute ihren Kunden kompetent und dort, wo sie es möchten, empfehlen Kunden die Bank eher weiter und nehmen sogar höhere Preise in Kauf.

Entscheidend über Erfolg und Misserfolg scheint also eine Mischung aus moderner Technik, klugen Investitionen, menschlicher Note und auch ein wenig Experimentierfreude zu sein. Gefragt sind also echte Akrobaten – oder eben die eierlegende Wollmilchsau.

TIPP: Sie möchten mehr zum Thema Customer erfahren? Dann erhalten Sie Einblicke in die Beziehung zwischen Banken und der Generation Z oder lesen Sie hier das Vorstandsinterview mit dem OSPA-Vorstandsvorsitzenden Bernd Brummermann.