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„Es gibt viel Raum für Kooperation mit Banken“

Constantin Fabricius, Geschäftsführer des Verbands deutscher Kreditplattformen, spricht mit Daniel Fernandez und Thomas Friedenberger über digitale Finanzierungsalternativen, neue Branchenstandards, besondere Risikoalgorithmen, lange Niedrigzinsphasen – und mobile Eisverkäufer.


Constantin Fabricius vom Verband deutscher Kreditplattformen im Interview mit der BANKINGNEWS.

BANKINGNEWS: Herr Fabricius, Verbände für die Finanzbranche gibt es ja nicht gerade wenige. Wozu braucht es den Verband deutscher Kreditplattformen?
Constantin Fabricius: Das stimmt, es gibt mittlerweile viele Verbände für Finanzdienstleiter. Das hat auch damit zu tun, dass immer mehr Fintechs auf den Markt drängen. Oft finden sich aber die neuen und
innovativen Player mit ihren Nischen-Geschäftsmodellen nicht in den vorhandenen Verbänden wieder. So war es auch mit Kreditplattformen. Wenn es um ein alternatives Marktplatzmodell für Kredite, aber auch um Schuldscheindarlehen und Anleihen geht, gab es bis dato kein passendes Angebot.

Und das wollten Sie ändern?
Ja, denn Kreditplattformen leisten einen wichtigen Beitrag für Gesellschaft und Volkswirtschaft. Sie ermöglichen effizient und schnell Zugang zu Finanzierungen. Mit dem VdK haben wir also eine Lücke geschlossen, erstens um die rasante Entwicklung der jungen Branche abbilden zu können und zweitens, um der Erwartungshaltung aller Kreditmarktteilnehmer gerecht zu werden. Nun können die Interessen aller Online-Kreditplattformen gebündelt vertreten werden, die mit diesen alternativen Fremdfinanzierungsinstrumenten operieren. Das ist eine riesige Chance für unsere Branche.

Der VdK wurde 2019 von auxmoney, creditshelf, Funding Circle und Kapilendo gegründet. Was hat die Fintechs dazu bewogen?
Ihnen ging es bei der Gründung von Anfang an um mehr als die bloße Bündelung von Brancheninteressen. Teil der DNA ist ein hoher Qualitätsanspruch, der sich in den Verbandsgrundsätzen und Verhaltensregeln niedergeschlagen hat. Diese haben die Gründungsunternehmen auf Basis ihrer Erfahrungen und Best Practices erarbeitet. Ziel war es, einheitliche Qualitätsstandards für die Betreiber von
Kreditplattformen zu schaffen.

Und wie lauten die Grundsätze?
Sie konzentrieren sich auf die vier Kernbereiche Qualität, Transparenz, Integrität und Professionalität, die sich wiederum in Unterkategorien gliedern. Dazu zählen neben Datenschutz und Beschwerdemanagement etwa das Risikomanagement oder die Vermeidung von Interessenkonflikten. Das alles sind Bereiche, die den Lesern der BANKINGNEWS vermutlich nicht neu sein werden, doch für die Marktteilnehmer sind sie eine wichtige Orientierungshilfe zur Beurteilung des Qualitätsanspruchs von Kreditplattformen. Alle vier Kernbereiche halten wir für wichtig und notwendig.

„Wir wollen das Vertrauen in die Branche stärken.“

Was für Ziele hat nun der Verband deutscher Kreditplattformen?
Zuallererst ist uns wichtig, dass das Prinzip des alternativen Online-Kreditmarktplatzes richtig verstanden wird. Das ist ein Ort, an dem Finanzierungssuchende über digitale Kanäle direkt mit Investoren als Finanzierungsquelle zusammengebracht werden. Das schließt nach dieser Definition aber Maklergeschäfte nur mit Banken, meist ebenfalls unter dem Label „Kreditplattform“, oder Schwarmfinanzierung wie Crowdinvesting aus. Indem wir also eine klare Abgrenzung zu der Vielzahl anderer Finanzierungslösungen etablieren, wollen wir für mehr Orientierung bei politischen Entscheidungsträgern, der Aufsicht und anderen Marktteilnehmern sorgen. Und wir wollen mit unseren Standards Markttransparenz vorantreiben und das Vertrauen in die Online-Kreditmarktbranche stärken, die noch jung und unübersichtlich ist. Hier gilt es, mit dem Verband die Interessen von Kreditnehmern und Anlegern als Kunden von Kreditplattformen gleichermaßen zu vertreten und Ansprechpartner für Öffentlichkeit, Marktteilnehmer und Entscheidungsträger zu sein.

Welche konkreten Veränderungen wünscht sich der Verband von der Politik?
Wir wünschen uns, dass der Gesetzgeber unser Geschäftsmodell einfach besser versteht. Gerade zwei aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht, nämlich beim Jahressteuergesetz und dem Gesetz zur Anrechenbarkeit von Verlusten aus Termingeschäften, zeigen uns, dass der Verband noch viel Erklärungsarbeit zu leisten hat. In beiden Fällen wurde das besondere Geschäftsmodell von Kreditplattformen noch nicht erkannt und berücksichtigt. Leider, möchte ich hinzufügen. Daher möchten wir, dass die Besonderheiten unserer Branche schnellstmöglich in den Überlegungen des Gesetzgebers Platz finden. Kreditplattformen erfüllen nun einmal einen wichtigen Auftrag der Kreditbranche, und das ist finanzielle Inklusion.

„Kreditplattformen erfüllen einen wichtigen Auftrag.“

Was können Kreditplattformen bieten, das Banken nicht können?
Ein Beispiel: Über Kreditplattformen erhält etwa ein mobiler Eisverkäufer Zugang zu einer Finanzierung, die er bei einer Bank wegen strikter Regularien vielleicht nicht bekommen würde. Die Risikoalgorithmen der Kreditplattformen stufen solche saisonalen Geschäfte in der Regel als gutes Risiko ein, weil sie an eine Vielzahl von Datenpunkten anknüpfen und nicht nur an die Umsatznachweise der letzten Monate, wie viele Banken das tun. Diese Nachweise kann man ja gar nicht erbringen, wenn man nur im Sommer Eis verkauft. Ich glaube, es sind genau solche Erfolgsgeschichten, von denen wir der Politik erzählen müssen, damit sie ihre Maßnahmen zielgerichteter formulieren kann.

Der VdK setzt sich für eine transparente Gestaltung des Kreditplattformgeschäfts ein. Nun gab und gibt es ja Kritik zu Plattformen. Was sagen Sie den Kritikern?
Mir ist nicht bekannt, dass es Kritik an unserem Ansatz gegeben hätte (lacht). Natürlich gibt es aber Diskussionen im Zusammenhang mit Vergleichsplattformen und Online-Marktplätzen für Waren und Dienstleistungen. Hier hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen mit seinem Forderungskatalog die Debatte ja noch einmal neu befeuert. Dazu will ich nur anmerken: Beim Thema Integrität und Transparenz ist unsere Position glasklar. Auf unseren Marktplätzen wollen wir die höchsten Qualitätsstandards zum Wohle von Darlehensnehmern und Investoren bieten.

Nun gibt es unter den Mitgliedern eine erste Bank. Warum sollte eine Bank Mitglied im Verband der Kreditplattformen sein?
Sie sprechen von der Varengold Bank, die sich dem VdK als assoziiertes Mitglied angeschlossen hat. Wir schließen Banken und andere Finanzdienstleister nicht von vornherein aus, nur weil sie keine Kreditplattform nach unserer Definition sind. Voraussetzung ist, dass sie einen Bezug zum Geschäftsmodell der ordentlichen Mitglieder haben. Und da die Varengold Bank als Kreditinstitut hauptsächlich das Geschäft der Finanzierung von Online-Lending-Marktplätzen betreibt, passt sie perfekt zu uns. Das gilt im Prinzip auch für jede Kommunalfinanzierungsbank. Mit Loanboox, CAPVERIANT und CommneX finden Sie bei uns die relevantesten Plattformen in diesem Bereich. Hier gibt es viele gemeinsame Themen.

„Es finden sich immer mehr Banken auf der Investorenseite.“

Wie ist das Verhältnis zwischen Banken und Kreditplattformen?
Es gibt viel Raum für Kooperation. Aber damit meine ich nicht nur die Verbandsebene. Nehmen Sie creditshelf und die Commerzbank. Beide arbeiten bei der Vergabe von Unternehmenskrediten Hand in Hand. Auch Landesbanken, Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken haben begonnen, konkrete Szenarien für eine Zusammenarbeit auszuloten. Zum Teil ist man noch weiter und schon mit ersten eigenen Plattformlösungen auf dem Markt. Da ist unheimlich viel in Bewegung. Und die Dinge bewegen sich nach meinem Eindruck eher aufeinander zu als voneinander weg.

Warum, glauben Sie, ist das so?
Kreditplattformen sind attraktiv, weil Banken aus Risiko-, Konzentrations- oder anderen Gründen Kredite oft nicht selber finanzieren möchten oder können. Eine Kooperation erlaubt ihnen, die eigene Kundenbeziehung weiter zu pflegen, ohne dass Geschäft komplett zur Konkurrenz abfließt. Und es gibt hier noch eine andere Perspektive. Auch Banken überlegen sich natürlich, wie sie mit den Folgen der Niedrigzinsphase umgehen sollen. Da verwundert es nicht, dass sie auf der Suche nach einer attraktiven Rendite als Kunden bei den Kreditplattformen aufschlagen. Sie finden deshalb immer mehr Banken auf der Investorenseite, die sich in die Crowd stellen.

Welche Relevanz haben Kreditplattformen in der Finanzbranche? Haben Sie da Zahlen?
Das Thema steht oben auf unserer Agenda, verlässliche Zahlen über die Kreditplattformbranche in Deutschland gibt es aber bisher nicht. Wir arbeiten daran, denn es liegt natürlich auch in unserem Interesse, Außenstehenden die Möglichkeit zu geben, unsere Branche und ihre Relevanz realistisch einzuschätzen. Die ersten Schritte sind auch bereits getan. Mit Bain & Company haben wir einen Marktreport erarbeitet, den wir demnächst veröffentlichen. Darin werden wir erstmals Zahlen zu Kreditplattformen in Deutschland präsentieren und Einblicke geben, die es so vorher noch nicht gab. So viel kann ich aber schon sagen: Die Branche wuchs europaweit sehr dynamisch. Das zeigen auch die Zahlen des Fraunhofer-Zentrums und der Cambridge University. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sich die Summe der durch Banken vergebenen Kredite in der EU im Billionenbereich bewegt, während die Kreditplattformen zusammen auf einen einstelligen Milliardenbetrag kommen. Wir sind also ein Nischenanbieter. Das wird aber ganz sicher nicht so bleiben. Laut einer Studie von Autonomous Research belief sich Anfang 2019 der adressierbare Markt für digitale Finanzierungsalternativen in Europa auf über 500 Milliarden Euro.

„Für Kreditplattformen liegt in der Krise auch eine Chance.“

Welchen Einfluss hat die Corona-Krise auf den Aufstieg der Kreditplattformen?
Ich würde sagen, wir leben derzeit im Ausnahmezustand. Wie sich der Lockdown auf verschiedene Wirtschaftsbereiche auswirkt, kann noch niemand mit Sicherheit sagen. Für unsere Branche sind natürlich Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft von Verbrauchern und Unternehmen sowie die Kreditwürdigkeit nicht auszuschließen. Laut Prognosen werden sich Kreditrisiken verstärkt ab dem dritten Quartal niederschlagen. Wir müssen einfach abwarten, flexibel bleiben und genau beobachten, wie sich die Corona-Pandemie und die deutsche Kreditwirtschaft entwickeln.

Wie beurteilen Sie das bisherige Vorgehen der Banken in der Corona-Krise?
Zunächst einmal möchte ich die Initiativen und Umsetzungsmaßnahmen von Politik und Banken in der Krisenzeit ausdrücklich loben. Zum normalen Kundengeschäft müssen die Banken ja zusätzlich Anträge, Prüfprozesse und Auszahlungen von Förderkrediten und Soforthilfen stemmen. Das ist wirklich eine Mammut-Aufgabe, wenn man bedenkt, dass Banken auch wegen aufsichtsrechtlicher Regularien einfach nicht auf Flexibilität und Schnelligkeit ausgelegt sind. Und die Banken stehen natürlich vor der Herausforderung, durch die Krise nicht selbst in finanzielle Not zu geraten. Damit aber vor allem der deutsche Mittelstand durch die Krise kommt, bedarf es mehr als nur der Gewährleistung von Sofortkrediten. Ziel muss sein, dass das benötigte Geld noch schneller und unbürokratischer bei den Unternehmen ankommt. Das Thema Corona wird uns ja wohl noch einige Zeit beschäftigen. Wenn ich einen Rat geben darf, dann sollte der Gesetzgeber auch innovativere Modelle wie die der Kreditplattformen in Betracht ziehen. Denn Geschwindigkeit können wir so gut wie sonst niemand.

„Geschwindigkeit können wir so gut wie sonst niemand.“

Bekommen Kreditplattformen durch die Corona-Krise also einen größeren Zulauf?
Tatsächlich kommen viele Anfragen von Bestandskunden, und erfreulicherweise melden sich auch viele Neukunden. Auch wenn es noch zu früh ist für Rückschlüsse und Schlussfolgerungen, Ihre Frage kann ich jetzt klar beantworten: Ja, es gibt einen größeren Zulauf für Online-Kreditplattformen.

Interview: Daniel Fernandez, Thomas Friedenberger

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