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ESG alleine schützt nicht vor Marktrisiken

ESG-Anlagen boomen. Doch die hohen Mittelzuflüsse, die zunehmende Regulatorik sowie branchenspezifische und allgemeine Marktrisiken können auch Verluste bergen. Ein systematisches Risikomanagement ist daher unverzichtbar und sollte Teil jeder ESG-Anlagestrategie sein.


ESG alleine schützt nicht vor Marktrisiken

Auch die Finanzbranche bewegt ein Thema: Klimaschutz. Welchen Beitrag kann die Finanzindustrie zu einer klimaneutralen und nachhaltig ausgerichteten Wirtschaft leisten? Das Veranlagen beziehungsweise das Fondsmanagement nach ökologischen, sozialen und Governance-bezogenen (ESG-)Kriterien rückt immer mehr in den Vordergrund. So nahmen nachhaltige Fonds allein in Deutschland im Jahr 2020 um 69 Prozent zu, wobei die Nachfrage vor allem durch Privatanleger getrieben wurde.

Dies geht aus dem Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) hervor. In Österreich machten 2020 nachhaltige Fonds und Mandate laut FNG-Bericht bereits rund 20 Prozent am Gesamtmarkt aus. Regularien wie die seit März 2021 geltende EU-Offenlegungsverordnung oder die im August 2022 in Kraft tretende EU-MiFID II-Verordnung befeuern darüber hinaus den ESG-Boom.

Wird die nächste Spekulationsblase „nachhaltig“ sein?

Die zunehmende nachhaltige Ausrichtung der Finanzbranche ist in jedem Fall begrüßenswert. Dennoch sollten neben den Chancen auch die Risiken in Betracht gezogen werden. So wies die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem jüngsten Quartalsbericht darauf hin, dass die enormen Mittelzuflüsse und die Preisdynamik nachhaltiger Geldanlagen Parallelen zu der Entwicklung früherer Blasen wie der Dotcom-Blase oder der Immobilienblase während der Finanzkrise aufweisen.

Eine „Grüne Blase“ könnte also drohen. Auch die neu ausverhandelte EU-Taxonomieverordnung erhöht den Druck. Sie steigert die Konzentration auf nachhaltig deklarierte Branchen, wodurch Klumpenrisiken entstehen oder zunehmen könnten. Dass Nachhaltigkeit per se nicht vor Krisen schützt, zeigt ebenso die Entwicklung der Solarindustrie. So ist die Branche in Deutschland nach der Jahrtausendwende zunehmend mit der Billigkonkurrenz aus Asien konfrontiert worden. Die Folgen: viele Pleiten von Solarzellen-Herstellern und die Degradierung vieler Unternehmensaktien zu Pennystocks.

Mitgefangen, mitgehangen

Aber auch allgemeine Marktverwerfungen gehen ebenso wenig an nachhaltigen Fonds und deren Indizes vorüber. Stürzt der Markt ab, geht auch der Kurs von ESG-Aktienfonds beziehungsweise -ETFs in der Regel auf Talfahrt. So haben die vergangenen Börseneinbrüche wie der Börsencrash im Corona-Krisenjahr 2020 oder der Bärenmarkt in der Finanzkrise von 2008 ihre Spuren in nachhaltigen Depots hinterlassen. Der MSCI World ESG Leaders Index etwa verlor im Zeitraum vom 9. Oktober 2007 bis 9. März 2009 um rund 54 Prozent an Wert. Im Zuge des Corona-Crashs rauschte der nachhaltige Index zwischen Februar und März 2020 um rund 34 Prozent in den Keller.

„Eine Anlagestrategie, die systematisch Risiken begrenzt, ist das quantitative Asset Management.“

Risikomanagement als Bestandteil einer ESG-Anlagestrategie

Dass nachhaltiges Anlegen nicht ohne systematisches Risikomanagement gedacht werden sollte, liegt angesichts der skizzierten Risiken auf der Hand. Denn wenn im ESG-Portfolio große Verluste entstehen, die womöglich erst nach vielen Jahren wieder ausgebügelt werden können, bringt auch die nachhaltige Ausrichtung des Portfolios nichts. Der menschliche Fondsmanager konzentriert sich darauf, ein technisches Handelssystem zu entwickeln und zu pflegen, das Anlageprozesse auf Basis mathematischer Regeln automatisiert umsetzt. Im Falle der nachhaltigen Anlage besteht das Anlageuniversum aus Aktien, die nach nachhaltigen Kriterien gefiltert sind.

Nur Aktien, die nicht aus kontroversen Branchen wie der Rüstungsindustrie stammen (Ausschlussprinzip) und zu den besten 50 Prozent ihrer Branche in Bezug auf ihre ESG-Performance (Best-in-Class-Ansatz) gehören, werden für die Anlage berücksichtigt. Wenn das technische Handelssystem einen Marktcrash identifiziert, wird die Aktienquote automatisch reduziert und kann sogar auf 0 Prozent heruntergefahren werden. In diesem Fall muss nicht auf Nachhaltigkeit verzichtet werden. Denn das Portfolio wird auf ESG-konforme Anleihen oder Geldmarktanlagen umgeschichtet. Stop-Loss-Limits tragen zu einer weiteren Absicherung bei.

Der Vorteil dieses automatisierten Risikomanagements: Es fließen keine Emotionen oder subjektiven Bewertungen in die Anlageentscheidungen mit ein. Ob gerade eine grüne Blase heranreift und wann diese platzt, kann nicht klar ausgemacht werden. Jedoch ist es auch ohne dieses Szenario unabdingbar, sein ESG-Portfolio systematisch abzusichern. So können nicht nur das Gewissen, sondern auch die eigenen Nerven beruhigt werden.

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