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„Request-to-Pay macht das Bankkonto zum Nabel der Welt”

Request-to-Pay schafft im Zahlungsverkehr ein völlig neues Echtzeit-Erlebnis rund ums Kaufen und Bezahlen. Das Verfahren erlaubt, bei einer Transaktion zusätzlich Informationen zu versenden, die Firmenkunden und Verbrauchern das Leben erleichtern. Bereits 2021 will die DZ BANK mit ersten Angeboten starten, erläutern Nils Brinkhoff und Fabian Wendel.


Herr Brinkhoff, Herr Wendel, was macht Request-to-Pay für Banken so interessant?
Wendel: Open Banking, PSD2 und Echtzeitüberweisungen verändern den Zahlungsverkehr immer mehr und erlauben vor allem digitalen Anbietern, in den Markt vorzudringen. Häufig bieten sie Lösungen an, die auch von Banken selbst hätten stammen können. Request-to-Pay erinnert jetzt wieder daran, dass Geld eine Heimat hat, und das ist das Konto. Request-to-Pay macht das Konto wieder relevant, weil die IBAN als eindeutige Adresse für einen Kunden zu 98 Prozent beständig ist – und Banken gelten in Deutschland immer noch als die Postboten mit dem größten Vertrauensvorschuss.

Das müssen Sie erklären.
Wendel: Wenn Sie jemand auffordert, einen Geldbetrag zu bezahlen, bekommen Sie dafür meist eine Rechnung per Post, eine E-Mail vom Online-Händler oder eine Kurznachricht über eine App, etwa PayPal oder SMS. Die verwendeten Anschriften, also die postalische Adresse, E-Mail-Adresse oder die Mobilfunknummer, ändern sich jedoch, wenn jemand umzieht, eine neue SIM-Karte bekommt oder die E-Mail-Adresse wegen zu viel Spam wechselt. Die IBAN aber bleibt über lange Zeiträume hinweg stabil und eignet sich deshalb als Adresse besonders gut.
Brinkhoff: Request-to-Pay ist kein neues Bezahlverfahren, sondern ermöglicht, über die bestehende Echtzeitinfrastruktur Nachrichten zwischen Gläubiger und Schuldner auszutauschen. Wenn man so will, stellen auch SEPA-Lastschriften nichts anderes dar als einen vorab autorisierten Request-to-Pay. SWIFT verfügt sogar über einen eigenen Nachrichtentyp, um einen Transfer anzufordern. Neu ist vielmehr, rund um das Grundgeschäft Informationen auszutauschen – mit dem Konto als Briefkasten und der IBAN als Anschrift, um unkompliziert Überweisungen auszulösen. Das Konto wird also wieder zum Nabel der Welt. Wer irgendwo bezahlen möchte, braucht sich nur noch mit der IBAN zu identifizieren und kann den Betrag beispielsweise in einer Banking-App direkt freigeben. Die Banken machen damit einen wichtigen Schritt, um die eigene Angebotswelt in ein vollwertiges Ökosystem zu verwandeln und das Bezahlen wieder da zu verorten, wo es auch nach unserem Selbstverständnis hingehört: zum Konto einer Bank.

Banken dürfen in diesem Modell selbst als Third Party Provider auftreten.

Wenn aber die eine Bank mitmacht und die andere nicht – was passiert dann?
Brinkhoff: Ich glaube, die Gefahr besteht nicht, weil das Interesse der Institute über alle Säulen hinweg ausreichend groß sein dürfte. Wir befürchten auch keinen Wildwuchs bei Standards, wenn sich alle an das vom European Payments Council EPC beschriebene Schema für Request-to-Pay halten. Die EBA Clearing will ab November 2020 RtP-Nachrichten testen. Weil viele Banken für das Clearing von Instant Payments ohnehin über das Echtzeitzahlungssystem RT1 an die EBA angebunden sind, lassen sich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Es liegt auf der Hand, bei Request-to-Pay die hochverfügbare 24/7-Infrastruktur für Instant Payments zu nutzen.

 

Einfacher Bezahlvorgang
mit Request-to-Pay
1
Kunde hat Artikel bei Online-Shop
im Warenkorb und kann ein
Bezahlverfahren auswählen.
2
Bei Auswahl „Überweisung RTP“ gibt er
seine IBAN ein, um den Prozess bei seiner
Hausbank anzustoßen.
3
Der Kunde erhält eine Nachricht von seiner
Bank, dass eine Zahlungsanfrage vorliegt.
4
Er öffnet die App seiner Bank und
authentifiziert sich wie gewohnt.
5
Die Zahlungsanweisung zeigt Händler,
Währung, Betrag und Bezahlvarianten.
6
Händler wird über die Bezahlung informiert
und kann die Ware versenden.

 

Das Internet ist doch auch hochverfügbar. Warum jetzt so kompliziert?
Brinkhoff: Sie meinen Open Banking. Wer PSD2-konforme Zahlungen auslösen darf, kann beispielsweise über die Bank-API auf das Konto eines Kunden zugreifen und entweder eine SEPA- oder Echtzeit-Überweisung ausführen. Klarna oder PayPal nutzen diese Methode, damit für Kunden keine unnötigen Medienbrüche entstehen, wenn sie einkaufen und bezahlen wollen. Die Bank des Zahlenden spielt in diesem Modell keine aktive Rolle. Banken dürfen selbst als Third Party Provider auftreten, weil ihre Banklizenz sie dazu berechtigt. Es geht gar nicht darum, eine Variante gegen die andere auszuspielen. Aus Kundensicht zählt vielmehr, wie einfach sich etwa die Banking-App bedienen lässt.

Apropos Kunden: Welchen Anreiz haben sie, Request-to-Pay zu nutzen?
Wendel: Händler zahlen mit einem kleinen Prozentsatz dafür, wenn Kunden mit Kreditkarten oder E-Wallet einkaufen. Bis das Geld gebucht ist, vergehen zudem einige Tage. Und falls eine Zahlung etwa wegen Betrugs scheitert, zieht das weitere Kosten nach sich, um bereits versendete Waren zurückzuholen oder schlimmstenfalls abzuschreiben. Wenn das Geld noch unterwegs ist, steht es auch noch nicht bereit, um eigene Ausgaben zu begleichen. Hinzu kommen Gebühren für Rücklastschriften oder Rückbuchungen auf Kreditkarten. Dafür brauchen die Firmen große Working-Capital-Puffer, um den Betrieb aufrechtzuhalten. Hier lohnt sich Request-to-Pay.
Brinkhoff: Viele Firmenkunden stellen ohnehin auf Instant Payments um, weil sie dadurch viel mehr automatisieren und beschleunigen können, gerade was die Folgeprozesse angeht. Request-to-Pay hilft den Unternehmen zum Beispiel auch im Debitorenmanagement, um etwa Gutschriften oder offene Forderungen einfacher oder auch automatisiert zuzuordnen, weil die Referenznummer bereits in der Zahlungsaufforderung steckt und bei der Zahlungsfreigabe unveränderlich mitgegeben wird. Auch Verbraucher genießen Vorteile, weil sie etwa bei einem vorgegebenen Zahlungsziel festlegen können, ob das Geld sofort oder erst im Laufe dieser Frist fließen soll. Darüber hinaus kann ein Kunde mit einem Verkäufer in Echtzeit die Modalitäten der Zahlung abstimmen.

Gute Ideen fallen nicht vom Himmel. Dabei ist Kreativität gefragt, aber auch viel Handwerk.

Was hat Sie auf diese Ideen gebracht und kann man das als Bank lernen?
Wendel: Gute Ideen fallen nicht vom Himmel. Einerseits ist Kreativität gefragt, andererseits aber auch viel Handwerk. Dazu gehört ein systematischer Innovationsprozess, in dem wir uns frühzeitig mit Trends und Technologien beschäftigen und prüfen, ob unsere Geschäftsmodelle betroffen sind und wie. Wir haben dafür innerhalb der DZ BANK Gruppe ein Innovation Lab gegründet und daraus ein Trend Lab entwickelt, bei dem uns Senacor methodisch und fachlich unterstützt hat, um Themen wie Tokenisierung, Künstliche Intelligenz, Quantencomputing oder Request-to-Pay zu erschließen.
Brinkhoff: Beim Trend Lab arbeiten Kollegen aus ganz verschiedenen Bereichen zusammen, das zeichnet dieses Format speziell aus. Request-to-Pay haben wir aus dem Transaction Banking heraus gemeinsam mit der R+V Versicherung angestoßen und mit Vertretern aus unterschiedlichen Unternehmen der gesamten DZ BANK Gruppe sowie Fiducia und GAD vorangetrieben.

Wann startet Ihre Bank mit den neuen Angeboten rund um Request-to-Pay?
Brinkhoff: Wir rechnen derzeit damit, die ersten Dienste noch im nächsten Jahr auf den Markt zu bringen, zuerst für Firmenkunden, die jetzt schon danach fragen. Noch sind wir aber damit beschäftigt, die von uns identifizierten Anwendungsfälle zu bewerten. Dafür haben wir Kriterien entwickelt, die den Kundennutzen abwägen, Effizienz- und Ertragspotenzial sowie Umsetzbarkeit bestimmen und ob das, was wir vielleicht vorhaben, zu den Werten einer genossenschaftlichen Bank passt.

Da haben Sie aber noch einiges vor sich.
Wendel: Das gehört im Innovationsprozess ja dazu: Die besten Ideen zügig als Prototypen umsetzen und dann im Dialog mit Kunden testen, verbessern oder auch wieder verwerfen.

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