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„Auch eine Kirche beschäftigt sich mit Aktien oder Immobilien-Anlagen“

Die Bank für Kirche und Diakonie ist ein traditionelles Geldhaus. Das schließt Innovationsfreude und Modernität keinesfalls aus. Vorstandsmitglied Ilona Pollach im Interview mit Fiona Gleim und Thorsten Hahn über den Zusammenhang von Konfession und Finanzen, die Kirche als Anleger und die Geschäftsstrategie einer christlichen Bank.


Kirche, KD Bank

BANKINGNEWS: Die Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) ist eine kirchliche Genossenschaftsbank. Die Mitgliederzahl der evangelischen Kirche ist in den vergangenen Jahren jedoch stark gesunken. Fürchten Sie sich vor einer „schwindenden Zielgruppe“?
Ilona Pollach: In der Tat ist es so, dass sich das in unserer Bilanzsumme nicht oder noch nicht abbildet. Wobei die Bilanzsumme für mich nicht als die eine strategische Größe gilt, da sie sich auch aufblähen lässt. Aussagekräftiger ist das Kundenwertvolumen. Und unser Kundenwertvolumen aus Kirche und Diakonie sowie unser Wertpapiervermögen haben in den letzten Jahren enorme Steigerungen erlebt. Mit Blick auf die langfristige Planung gehen wir allerdings auch davon aus, dass künftig ein real sinkendes Kirchensteuereinkommen zu erwarten ist. Wir bieten seit Jahren ambitionierte, nachhaltig ausgerichtete Geldanlagen an und sehen dabei großen Zulauf, etwa von kirchlichen und öffentlichen Stiftungen. Also nochmal als Fazit: Wir sehen es derzeit nicht.

Inwiefern sind bei Ihren Kunden Finanzthemen und Konfession verknüpft?
Wir haben unser Leitbild so formuliert, dass es die christlichen Werte widerspiegelt. Das bedeutet dann auch, dass Personen, die sich mit den Werten von Kirche und Diakonie nicht identifizieren können, sich unter Umständen bei uns nicht wohlfühlen. Manchmal passt es eben nicht. Es kommen aber viele Privatkunden zu uns, die in Kirche und Diakonie beschäftigt sind. Und dann spricht sich vielleicht herum, dass sich diese Privatkunden bei uns gut beraten fühlen. Eine direkte Verknüpfung zwischen Finanzen und Konfession würde ich allerdings nicht sehen.

Also kann man bei Ihnen auch Mitglied werden, wenn man nicht der evangelischen Kirche angehört?
Das ist bei Kirchenbanken generell unterschiedlich. Einige nehmen Privatpersonen auf, wenn sie mit ihnen Geschäftsverbindungen haben. Wir haben 23.000 Privatkunden, unser Schwerpunkt liegt laut Satzung aber auf Kirche und Diakonie. In den Generalversammlungen werden die Entscheidungen von diesen beiden Bereichen getroffen. Wenn wir Privatkunden als Mitglieder zulassen würden, bestünde das Risiko, dass die Interessen der Privatkunden, die der kirchlichen Institutionen und der Diakonie überwiegen. Deshalb haben wir schon aus der Historie heraus beschlossen, dass eine Mitgliedschaft nur der Kirche und Diakonie zugesprochen wird. Aus meiner Sicht ist genau das auch das Charmante an uns.

Wie zeigt sich das Leitbild in Ihrer Geschäftsstrategie?
Wir sind aus dem kirchlichen Kreislauf heraus gegründet worden, und diese Historie ist mir wirklich von Herzen wichtig. Manchmal frage ich mich bei meinen Entscheidungen, wie unser Gründervater Martin Niemöller in dieser Situation entschieden hätte. Niemöller wollte damals einen Kindergarten finanzieren, wurde jedoch von den Banken abgelehnt. Also hat er selbst eine Bank gegründet, die solche Finanzierungen fördert. Das finde ich bewundernswert. Daher ist es für mich wichtig, dass wir die Gelder, die wir auf der Passivseite von der Kirche einnehmen, auch verantwortungsbewusst anlegen. Das gilt auch für die Kredite, die wir vergeben. Die Kirche benötigt allerdings jetzt auch nicht so viel Kredite, wie wir an Einlagen reinbekommen. Das heißt, wir sind auch am Geld- und Kapitalmarkt aktiv. Und das in nennenswertem Umfang, denn es sind über vier Milliarden Euro.

Mittlerweile wird Nachhaltigkeit bei nahezu allen Kirchenbanken verstärkt thematisiert. Hätten Kirchenbanken schon früher einen konzentrierten Blick auf das Thema werfen sollen?
Tatsächlich hatten wir als Kirchenbank schon immer eine nachhaltige Ausrichtung. Auch schon bevor man diesen Begriff in diesem Zusammenhang überhaupt benutzt hat und er letztlich institutionalisiert wurde. Die Institutionalisierung des Themas hat bei uns begonnen, als wir 2008 als erste Kirchenbank den Nachhaltigkeitsfilter eingeführt und die Rahmenbedingungen festgeschrieben haben. Seitdem entwickeln wir diese natürlich weiter. Bei der Frage nach der richtigen Investition der Kirchengelder war Rüstung zum Beispiel immer ausgeschlossen. Der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen haben zu Diskussionen über die Investierbarkeit von Rüstungsgütern geführt, unter anderem auch im Arbeitskreis Kirchlicher Investoren, in dem ich Mitglied bin. Für uns als ethisch-nachhaltige Kapitalanleger ist die Beteiligung an Waffenherstellern weiterhin nicht mit unserem Verständnis von nachhaltigem Investieren vereinbar. Entscheidend für uns ist, wie sich unsere kirchlichen Anleger aufstellen werden.

Wie setzen Sie sich konkret für mehr Nachhaltigkeit ein?
Bewogen hat uns der Gedanke, etwas Gutes zu tun, und zwar hinsichtlich der Schwerpunkte der KD-Bank. Dies sind ausschließlich kirchliche und gemeinnützige Zwecke. Dazu haben wir 1995 eine Stiftung gegründet, die aktuell ein Volumen von rund 8,2 Millionen Euro hat. Ein festes Thema ist immer der Erhalt kirchlicher Gebäude, weitere Themen waren über die Jahre auch immer wieder die Jugendhilfe, die Gefängnisseelsorge und die Digitalisierung in Kirchengemeinden. Weitere Stiftungszwecke richten sich auch an den aktuellen Gegebenheiten aus, wie etwa das Thema Flüchtlingshilfe. Oft sind es aber auch Zwecke, die nicht unbedingt durch eine Bank direkt finanzierbar sind, sondern für die man auf anderem Weg Mittel einwerben muss. Die Ausschüttung, die wir auf viele kleine Projekte im Jahr verteilen, liegt bei rund 150.000 Euro. Die Stiftung zur Förderung der Kirche und Diakonie gilt für alle Kunden der Bank, die sich zu den Förderzwecken in jedem Jahr neu bewerben können.

An welchen Projekten arbeiten Sie in diesem Bereich aktuell?
Zum einen arbeiten wir an einem Gemeinschaftsprojekt mit der Kindernothilfe. Dabei handelt es sich um einen nachhaltigen ausschüttenden Aktienfonds. Besonders daran ist, dass es einen separaten Nachhaltigkeits-Kinderrechte-Check und einen Beirat mit Kindern und Jugendlichen gibt. Im Beirat sind auch Profis, die nach Bonität und Rating schauen, aber der Großteil setzt sich aus Jugendlichen, unseren Auszubildenden und Vertretern der Kinderrechtsorganisation zusammen. Der Kern des Projekts ist in unserer Tradition fest verankert, da uns die Rechte von Kindern überaus wichtig sind. Wir verbinden hier also Tradition mit einem Fondsprodukt, das in die Zeit passt.

Entscheidend für uns ist, wie sich unsere kirchlichen Anleger aufstellen werden.

Christliche Werte beruhen auch auf Nähe und Kontakt. Wie würden Sie Ihre Vertriebsstrategie beschreiben, auch unter Berücksichtigung des aktuellen Umschwunges zu digitaler Beratung und Self Service?
Ich bin seit über 20 Jahren im Vorstand und kenne es nur so, dass wir bundesweit als Fernbank agieren. Wir sind keine Filialbank. Auch bei den Vorstandssitzungen setzen wir schon eine ganze Weile auf Videotelefonie. Unsere vermögenden Privatkunden sind mit Telefon oder Videoberatung ebenso längst vertraut. Ich muss aber auf der anderen Seite sagen, dass das persönliche Gespräch vor Ort so nicht ersetzt werden kann. Ich bin in vielen Anlageausschusssitzungen bei Großkunden. Hier haben wir uns vor Corona zweimal im Jahr persönlich getroffen, während der Pandemie lief alles digital. Wenn Sie zu einem Kunden bereits eine funktionierende Beziehung haben, ist ein digitaler Austausch über zwei Jahre kein Problem. Aber irgendwann müssen Sie auch wieder persönlich ins Gespräch kommen. Viele Großkunden sagen, sie würden sich in Zukunft im Jahr gerne einmal in Präsenz und einmal digital treffen. Für uns ist die Filialbereinigung kein großes Thema, weil wir kein dichtes Filialnetz haben. Wir haben zwar die Filiale in Duisburg geschlossen, allerdings schlichtweg, da Duisburg und Dortmund nah beieinanderliegen und die Kundenfrequenz in Duisburg nicht mehr hoch war. Dagegen haben wir auch eine Filiale in Düsseldorf eröffnet. Wir sprechen in dem Fall aber nicht mehr von Filiale, sondern von Repräsentanz. Wir versprechen uns natürlich auch etwas von dem Standort. Man muss die Nähe zum Kunden haben und sowohl Digital- als auch Präsenzberatung anbieten. Das ist auch keine Frage des Alters des Kunden, ich kenne 90-jährige Kunden, die digital mit uns kommunizieren und 35-jährige, die das persönliche Gespräch wünschen. Die Lösung ist ein Mix aus digital und persönlich.

Man hört immer wieder, dass Banken innovativer werden müssen – nicht zuletzt profitiert davon auch die Cost-Income-Ratio. Wie gelingt Ihnen die Balance als Traditionsbank?
Wir haben eine fast 100-jährige Tradition, die bei aller Moderne noch zu uns passen muss. Sie sprechen die Cost-Income-Ratio an, da sind wir bei knapp 50 Prozent. Natürlich können wir uns den Gegebenheiten auch nicht entziehen. Wir leben und arbeiten am Finanzmarkt mit der Negativzinsphase. Natürlich legen wir auch Geld bei der EZB zu -0,5 Prozent an, um bestimmte aufsichtsrechtliche Kennzahlen zu erreichen. Da braucht man eine gewisse Liquidität. Wenn Sie sich wiederum unsere Bilanzen genauer anschauen, dürfte Ihnen ein steigendes Kundenwertvolumen auffallen, zum Beispiel bei den Wertpapieren zusammen mit den Provisionserlösen. Und das sind auch hauptsächlich die Provisionserlöse von Wertpapieren, denn: Wenn ich keine Vermögensbeimischungen mache, habe ich Kapitalverzehr durch den negativen Realzins. Und selbst wenn eine Zinssteigerung bei der EZB auf uns zukäme, haben wir momentan dennoch eine Inflationsrate zwischen fünf und sechs Prozent. Vielleicht nimmt diese aufgrund der Energiepreise sogar noch zu. Auch eine Kirche muss sich damit befassen und kommt zu dem Schluss, Vermögensbeimischungen zu machen, um überhaupt Erträge zu generieren. Das heißt, sie haben sich mit Fondswirtschaft oder mit Aktien- oder Immobilienanlagen beschäftigt. Stiftungsaufsichten haben sich da auch bewegt. Wir halten es für richtig und zielführend, dass der institutionelle Anleger nicht alles in 100-prozentigen Bundesanleihen angelegt hat, bei denen es im vergangenen Jahr einen Null- oder Negativzins gab. Wir fühlen uns der Tradition sehr verpflichtet, aber wir machen keine Geschäfte, bei denen wir zuzahlen müssen. Aber es gibt auch Projekte, die uns am Herzen liegen und in die wir dann investieren. Zum einen gibt es Freibeträge, zum anderen gibt es alternative Finanzierungsoptionen.

Eine direkte Verknüpfung zwischen Finanzen und Konfession sehe ich nicht.

Sind Klagen von Banken über Negativzinsen dann überhaupt angebracht?
Die Frage ist hier nach der Bilanzstruktur. Es ist ganz richtig: Wir haben Freibeträge. Bei uns betragen diese das rund Fünf- oder Sechsfache unserer Mindestreserve, das sind knapp 300 Millionen Euro. Wenn Sie sich unsere Bilanzstruktur auf der Passivseite anschauen, dann sehen Sie enorme liquide Sichteinlagen. Das liegt vor allem daran, dass Kirchenbanken durch hohe liquide Einlagen geprägt sind. Diese Kurzfristigkeit hängt auch mit dem Kirchensteueraufkommen zusammen. Deswegen haben wir uns auch dazu entschieden, mit Freibeträgen beim Kunden zu arbeiten. Wir haben das im Beirat aufgezeigt und Berechnungen offengelegt, weil wir der Meinung sind, dass es nicht mehr anders funktioniert. Und selbstverständlich ist es so, dass wir auch im Depot A mit unseren vier Milliarden Euro weitere Erträge generieren könnten. Bei uns ist es so, dass in den Strategiepapieren für die Treasury nichts unter Anleihen mit A-Rating gekauft wird. Hier ist die Rendite überschaubar. Für uns zählen Liquidität, Rendite, Risiko und Nachhaltigkeit. Zusätzlich gibt es aufsichtsrechtliche Kennzahlen, die einzuhalten sind. Ein Versicherer kann zum Beispiel 50 oder 100 Jahre im Voraus planen und anlegen. Das geht bei einer Bankbilanz mit kurzfristigen Passiva nicht, weil das Bilanzstruktur-Management auch passen muss. All das muss man beachten.

Wie sehen Sie künftig die Zusammenarbeit mit Ihrer Zielgruppe?
Da sind wir sehr positiv. Besonders, weil wir etwa beim nachhaltigen Wertpapiergeschäft großen Zuspruch sehen. Trotz anfänglicher Skepsis bewährt sich dieses nun als langfristiger Trend, der sich verstärken wird. Und ich glaube, dass sich da die Spreu vom Weizen trennt. Die Kunden merken sehr wohl, wo das Know-how und die Fachexpertise sind. Das sehen wir sowohl bei der Anlage und im Kreditgeschäft. Zwei Bereiche, die immer noch sehr von Vertrauen geprägt sind. Und gerade diakonische Krankenhäuser und Altenpflegeheime haben Investitionsbedarf. Daher haben wir einen positiven Ausblick sowohl auf unser Kreditvolumen als auch auf das Wertpapiergeschäft, das ja in die Provisionserlöse einfließt.

Interview: Thorsten Hahn und Fiona Gleim

Vorstände im Gespräch: Sie möchten weitere interessante Interviews lesen? Hier unterhalten wir uns mit Ulrich Scheer von Münchener Hypothekenbank eG über Entwicklungen in der Baufinanzierung und hier sprechen wir mit Bernd Brummermann von der OstseeSparkasse Rostock über wichtige Assets und die strategische Ausrichtung der OSPA.