Wealth Management: eine neue Herausforderung für Banken

Je turbulenter die Zeiten, desto weniger greifen etablierte Routinen. Weshalb Banken ihr Konzept im Bereich Wealth Management auf den Prüfstand stellen sollten und welche Aspekte es zu beachten gilt, erklärt Klaus Naeve von der Berenberg Bank.


Geopolitische Krisen, der Anstieg der Inflation sowie hohe Energiepreise haben die Finanzwelt zuletzt kräftig durcheinandergewirbelt. Das hat auch den in den vergangenen Jahren ohnehin schon unter Druck stehenden Bankensektor vor neue Herausforderungen gestellt. Denn neben diesen externen Einflüssen und schwarzen Schwänen sind auch die regulatorischen und geschäftlichen Anforderungen deutlich gestiegen. Dies geht mit einem Wandel in der Erwartungshaltung einher, die Ansprüche der Kunden haben sich mit ihren Wünschen verändert. Das bezieht sich zum einen auf klassische Fragen der Vermögensberatung, zum anderen aber auch darauf, wie die Bank mit den Kunden umgeht.

Wie kommuniziert sie mit ihnen und auf welcher Ebene tritt sie ihnen gegenüber? Dabei fällt auf, dass der Beratungsbedarf insgesamt größer geworden ist. Besonders in schwierigen Zeiten nimmt die Unsicherheit zu. In der Folge suchen Menschen Orientierung. Für Banken ist ein verständliches und umfassendes Informationsangebot daher unerlässlich. Die Krisen der letzten Jahre haben diese Entwicklung zusätzlich befeuert.

Ein Nebeneffekt ist, dass sich die Form der Ansprache stark verändert hat. Bei Berenberg etwa werden die digitalen Kommunikationsangebote wie das Berenberg Wealth Management Portal oder der Berenberg Podcast weiter ausgebaut, um auch über Online-Kanäle den Kontakt zu intensivieren. Gleichwohl wird die individuelle und persönliche Beratung bei komplexen Vermögen weiterhin als alternativlos angesehen – auch wenn sie zunehmend durch moderne digitale Lösungen ergänzt werden muss.

ESG sorgt für Druck bei Vermögensverwaltern

Die Veränderung der Kundenbedürfnisse bezieht sich zudem nicht nur auf Kommunikation und Austausch. Infolge der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien vollzieht sich ein gewaltiger Wandel in der Vermögensverwaltung sowie der Beratung. Denn mit dem Aufstieg von ESG ist der regulatorische Druck auf Vermögensverwalter, die Integration dieser Kriterien in ihren Anlage- und Beratungsprozess nachzuweisen, in die Höhe geschnellt. Gleichzeitig agieren auch die Kunden selbst viel bewusster. Im Vordergrund steht für sie nicht mehr nur die reine Rendite. Es geht auch darum, wie das Vermögen investiert wird und ob mit dem Vermögen auch ein positiver Effekt erzielt werden kann.

Berenberg unterstützt diesen Wandel nicht zuletzt auch deshalb, weil er der Firmenphilosophie und Anlagestrategie des Geldhauses in der Vermögensverwaltung entspricht. Langfristiges Wachstum ist nur möglich, wenn ein Unternehmen mit Integrität geleitet, solide geführt und in einer Weise aufgebaut wird, die sowohl ökologisch als auch sozial verantwortlich ist. Das Thema ESG zeigt dabei deutlich, dass Verbraucher in den vergangenen Jahren anspruchsvoller und mündiger geworden sind. Ziel muss es deshalb sein, dass Kunden – ob Privatinvestoren, institutionelle Anleger oder Unternehmen – aktive Investmententscheidungen treffen können.

Die Bank tritt damit noch stärker als ein Beratungshaus und zuverlässiger Partner auf, der seinen Kunden mit Vernunft, Respekt, Weitblick und Wissen begegnen muss. Sie müssen in die Lage versetzt werden, im Dialog mit ihrem Berater und auf der Basis fundierter Einschätzungen und Analysen Entscheidungen für ihre Investments selbst zu treffen. Daher ist es heute mehr denn je die Aufgabe einer Bank, Kunden als erfahrener und kompetenter Ratgeber zur Seite zu stehen. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben bei den Investoren noch zu weiteren Lerneffekten geführt. Das bedeutet für den Anleger, dass er sich mit komplett neuen strategischen Risikoabwägungen auseinandersetzen muss. Wer in schwierigen Börsenphasen einfach nur die Aktienquote senkt, tut den Kunden keinen Gefallen.

In Wirklichkeit kann es nicht mehr darum gehen, das Risiko zu minimieren, sondern vielmehr darum, die Chancen zu nutzen. Die Risiken, die man inzwischen als Anleger hinnehmen muss, sollte der Anleger und damit auch der Berater als Herausforderung begreifen. Dafür bedarf es aber auch einer gut durchdachten und klaren Strategie. Bei Berenberg lauten die entscheidenden Schlagworte für den Aktienmarkt „Stock Picking“ und „Quality Growth“. Dabei steht „Stock Picking“ für Einzeltitelauswahl unter Berücksichtigung spezifischer Bedingungen in Kombination mit einer klaren Marktmeinung.

„Quality Growth“ bezeichnet demgegenüber die Suche nach Qualitätsunternehmen, die mit hohen Eigenkapitalrenditen und nachhaltigen Wachstumsraten über lange Zeiträume hinweg überzeugen – und das relativ unabhängig vom Wirtschaftswachstum. Gesucht sind deshalb zum Beispiel Gewinner von strukturellen Megatrends wie Digitalisierung und demographischem Wandel. Dieser Ansatz bekommt in der aktuellen Phase sogar zusätzlich Gewicht: Denn jede große Krise hat strukturelle Verwerfungen mit sich gebracht und Trends verstärkt oder neu geschaffen. IT-Systemhäuser profitieren etwa schon seit geraumer Zeit vom Nachholbedarf im Bereich der Digitalisierung.

Hidden Champions und alternative Kapitalanlagen

Die aktuelle Krise verdeutlicht außerdem, welch hoher Investitionsbedarf besteht. Pharma- und Medizintechnikunternehmen profitieren langfristig von einer alternden Bevölkerung. Gleiches gilt aber auch für die zukünftig effizientere Aufstellung der ITLandschaften im Gesundheitswesen. So sind etwa gerade im Nebenwertesegment eine Vielzahl – auch digitaler – Hidden Champions entstanden: Firmen, die mit ihren Produkten frühzeitig auf Megatrends gesetzt haben und so eine führende Marktpositionierung in ihrem Marktsegment aufbauen konnten. Es sind Unternehmen, die von klein auf durch einzigartige Produkte und Innovation intelligente Akquisitionen und operative Exzellenz stark wachsen konnten und das Potenzial haben, ganz in die Champions League der Aktienmärkte aufzusteigen.

Für viele sehr vermögende Kunden gehen die Anforderungen an die Kapitalanlage aber über das reine Wertpapierinvestment hinaus. Um diesen hochkomplexen Anforderungen im Vermögensmanagement zu genügen, hat Berenberg etwa die typischen Vermögensverwaltungsangebote um unternehmerische Beteiligungen wie Private Equity und Private Debt erweitert. Im Bereich Private Equity setzt die Bank Direktinvestments in ausgewählte Beteiligungen und das Engagement in großen Fonds ein, um damit diese weniger liquide, jedoch chancenreiche Anlageklasse auch im Sinne der zusätzlichen Diversifizierung zu öffnen. Bei Private Debt werden Darlehen für die Finanzierung der Bau- und Betriebsphasen von Projekten wie etwa die Weiterentwicklung alternativer Energien vergeben.

Es sind institutionelle und private Investoren, die Fremdkapital für Unternehmen und Projekte bereitstellen und für die Private Debt eine attraktive Alternative zu einer Anlage im Kapitalmarkt geworden ist. Das entspricht auch klar den Wünschen der Kunden, die häufig selbst unternehmerisch tätig sind und professionelle sowie zukunftsorientierte Ergänzungen zum Wertpapiermanagement suchen. Diese Analyse zeigt, wie hochkomplex die Anforderungen an ein modernes Private Banking geworden sind. Die Welt hat sich gewandelt – mit ihr die Finanz- und Bankenwelt. Wenn modernes Private Banking und Wealth Management diese Veränderungen als Chance begreifen, können für beide Seiten des Beratungsprozesses deutliche Mehrwerte entstehen.

Klaus Naeve

Berenberg

Klaus Naeve ist Co-Head Wealth & Asset Management bei Berenberg.

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