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31. Oktober 1517: Luthers Thesenanschlag

Mit seinen 95 Thesen leutete Martin Luther vor 501 Jahren die Reformation ein. Im Jubiläumsjahr 2017 wurden zahlreiche Aspekte aus dem Leben und Wirken des Augustinermönchs beleuchtet. Das Jahr 2018 bietet Anlass, an diese Diskurse anzuknüpfen – auch für die Bankbranche.


Der Thesenanschlag Martin Luthers am 31. Oktober 1517 war der symbolische Startschuss der Reformation und der daraus resultierenden Spaltung der Kirche. In diesen Tagen wird er vielen Menschen dadurch ins Gedächtnis gerufen, dass in einigen Bundesländern heute und in den anderen am morgigen 1. November ein Feiertag im Kalender steht. Betrachten wir die historischen Entwicklungen, die unmittelbar und langfristig von der Reformation beeinflusst wurden, greift dies selbstverständlich zu kurz. Die 95 Thesen, die der Augustinermönch Martin Luther an die Türen der Schlosskirche in Wittenberg genagelt haben soll (der tatsächliche Hergang ist umstritten), richteten sich im Kern gegen die Auffassung, dass durch Ablasszahlungen die Erlösung von Sünden erreicht werden könne. Neben theologischen Fragestellungen äußerte sich Martin Luther immer wieder zu Belangen des Wirtschafts- und Finanzwesens. So diskutierte er in den Jahren 1519, 1520 und 1524 in drei Traktaten die mittelalterliche Zinslehre und die Debatte um ein Zinsverbot. Besonders kritisch stand er den Geschäften der Fugger gegenüber. Er klagte das in seinen Augen ungerechte und ausbeuterische Vorgehen des Augsburger Kaufmannsgeschlechts an und forderte staatliche Regulierung.

Der Hype im Jubiläumsjahr 2017

Das Lutherjahr 2017 rief zahlreiche findige Geschäftsleute auf den Plan, die das 500-jährige Jubiläum mit allen nur denkbaren Produkten wie Luther-Bonbons und Luther-Frisbeescheiben vermarkteten. Und auch politisch ließ es sich bestens als Aufhänger nutzen. So verfassten linke Politiker und Intellektuelle ganz nach lutherischem Vorbild 95 Thesen. Diese richteten sich nicht an bzw. gegen den Papst, sondern gegen den Status quo des Finanzwesens und proklamierten gleich zu Beginn: „Was zu Luthers Zeiten begann, hat heute einen neuen Höhepunkt: die Herrschaft des Geldes. Die Demokratie ist in Gefahr. Die Politik ist an den Vorgaben der Finanzmärkte und den Interessen des oberen, reichen einen Prozents der Bevölkerung ausgerichtet. Eine Umkehr, eine Reformation ist nötig.“ Analog zur „Käuflichkeit des Seelenheils“ durch den Ablasshandel identifizierten die Initiatoren, darunter u.a. Gregor Gysi, eine „Käuflichkeit der Politik“.

Und auch die evangelische Kirche selbst brachte im vergangenen Jahr einen Satz mit 95 Aufklebern heraus, auf denen die positiven Auswirkungen der Reformation gewürdigt wurden. Darunter ein Sticker mit der Aufschrift „Banken bändigen. Dank Reformation.“

Die Debatten weiterführen

Die Sinnhaftigkeit, den Reformationstag nun in einigen Bundesländern als gesetzlichen Feiertag zu etablieren, wurde teilweise in Frage gestellt. Mitunter kam der Vorwurf auf, dass ein weiterer Feiertag der Wirtschaft in den betroffenen Bundesländern schaden könne. Eine gewagte These, wenn man die Wirtschaftsleistung Bayerns und Baden-Württembergs – Spitzenreiter bei der Anzahl der Feiertage – betrachtet. Vielleicht sollten stattdessen in einer Zeit, in der umfassende Einblicke in den Cum-Ex-Skandal veröffentlicht wurden, eher wieder die Diskussionen aus dem Jubiläumsjahr aufgegriffen werden. Und die Banken sollten sich zu Herzen nehmen, dass eine Reformation aus sich selbst heraus häufig der bessere Weg sein wird als derjenige, der durch den Regulator eingeschlagen wird, wenn der öffentliche und der politische Druck steigen. Noch stehen keine wütenden Demonstranten vor den Kreditinstituten der Republik. Bei weiteren Skandalen und ohne sichtbaren Reformwillen der Branche ist es vielleicht nur eine Frage der Zeit, wann jemand 95 Thesen an die Tore der Banken nagelt.