Ein Tanz auf dem Vulkan: Erfolgsfaktor Neugier

Warum die Neugier von Mitarbeitern auch für Unternehmen der Finanzbranche heute so elementar wichtig ist und was das mit der Unternehmenskultur zu tun hat, erläutert Professor André Niedostadek von der Hochschule Harz.


Wie kann Neugier in Unternehmen der Finanzbranche produktiv genutzt werden?

Wir befinden uns in Zeiten des Umbruchs. So hört man es beinahe täglich. „Disruptive Innovationen“ oder „Zukunft der Arbeit“ sind nur zwei Stichworte, die stellvertretend für diese Entwicklung stehen. Auch die Finanzwelt ist davon nicht ausgenommen. Natürlich nicht.

Ganz im Gegenteil, möchte man sogar ergänzen, bündeln sich dort doch zahlreiche Themen, die so manche Herausforderungen mit sich bringen: Wie steht es um die Geschäfts- und Produktentwicklung? Wie wird sich das Thema Künstliche Intelligenz entwickeln? Was ist mit Niedrigzinsen, Wettbewerb und Regulierung?

Nur einige von vielen Fragen, die man sich in diesem Zusammenhang stellen kann. Auch wenn der Finanzsektor es gewohnt ist, Risiken einzuschätzen, so schwebt über alledem oftmals unausgesprochen die Sorge, in schnelllebigen Zeiten Trends zu verschlafen. So wie beispielsweise beim mobilen Bezahlen.

Kraftquelle für Innovationen und Kreativität

Wie wird die Zukunft aussehen? Ein Blick in die Kristallkugel wäre schön, doch die gibt keine Antwort. Was bleibt dann? Gerade in der heutigen Zeit lohnt es einmal mehr, sich auf eine Eigenschaft zu besinnen, die ebenso als wichtige Schlüsselqualifikation wie auch als Kraftquelle für Innovationen, Kreativität und Erfindergeist gilt: die Neugier. Oder wie es Oscar Jazdowski, Co-Head bei der Silicon Valley Bank Deutschland, im BANKINGNEWS-Interview auf die Frage nach dem optimalen Bewerber ausdrückte: „Die wichtigste Eigenschaft eines Mitarbeiters ist Neugier“.

Was ist Neugier und – ganz entscheidend – wie lässt sie sich auf verantwortungsvolle Weise nutzen? Denn auch das gehört zur Wahrheit: Mit der Neugier ist das so eine Sache: Wenn man sie überstrapaziert, dann wird sie schnell zum Tanz auf dem Vulkan. Tatsächlich kann Neugier manchen gegen den Strich gehen.

Neugier: Dingen auf den Grund gehen

Was ist also Neugier? Neugier hat ganz unterschiedliche Facetten. Eine davon: Es geht darum, etwas verstehen zu wollen. Dingen, Entwicklungen, Zusammenhängen oder Beziehungen auf den Grund zu gehen. Wie gelingt das? Indem man Fragen stellt. Und zwar die passenden Fragen. Sich selbst und anderen.

Schon das kann aber leicht zu einem Drahtseilakt werden. Vor allem dann, wenn die Fragen an Grundsätzlichem rütteln. Eine Antwort à la „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist dennoch ein guter Anlass, neugierig nachzuhaken. Neugier erfordert damit zugleich etwas, an dem es in der betrieblichen Praxis oft fehlt: eine Bereitschaft zu Veränderung, Flexibilität und Anpassung an sich verändernde Gegebenheiten.

Neugier ist auch immer verbunden mit einer Weiterentwicklung. Um den Faden noch ein Stück weiterzuspinnen: Neugier im hier verstandenen Sinne wird sich nur dort produktiv entfalten können, wo die Rahmenbedingungen stimmen. So gesehen, berührt sie direkt das Herz eines jeden Unternehmens: die Unternehmenskultur – und wie diese Kultur auch wirklich gelebt wird. Entsprechende Rahmenbedingungen zu etablieren, stellt für viele Unternehmen für sich genommen schon eine große Herausforderung dar.

In Neugier steckt die „Gier“

Mit Neugier stößt man aber auch an Grenzen. Dann besteht auch eine Gefahr. So wird die Neugier zu einem zweischneidigen Schwert, wenn man über das Ziel hinausschießt. Was leicht passieren kann, steckt doch in dem Wort Neugier auch die „Gier“. Diesen Spagat zu meistern, ist letztlich wiederum eine Frage der Unternehmenskultur.

Hier können grundlegende Werte Orientierung bieten. Sie geben der (professionellen) Neugier einen Rahmen. Beispielsweise wenn es darum geht, innovative Finanzprodukte zu entwickeln. Gerade da hat das Bild der Finanzbranche in der Öffentlichkeit, insbesondere seit der Finanzkrise, massiv gelitten und sich wohl noch immer nicht richtig erholt. „Neu-Gier“ darf nicht übermütig machen.

Experimentierfreude und Offenheit für Neues

Was bedeutet all das für die Praxis? Zunächst einmal hilft es, sich bewusst zu sein, welche Kraft die Neugier haben kann. Wie brachte es Steve Jobs in der Abschlussrede 2005 vor Studenten der Universität Stanford auf den Punkt: „Vieles von dem, in das ich durch Zufall hineingeriet, weil ich meiner Neugier und Intuition folgte, erwies sich später als unbezahlbar.“

Neugier gilt als eine natürliche und angeborene Fähigkeit. Kinder leben den Entdeckergeist mit Leichtigkeit aus. Doch mit zunehmendem Alter und vielfältiger Erfahrung geht uns diese Eigenschaft oft verloren – gerade im Job, in dem oft andere Dinge im Mittelpunkt stehen als Experimentierfreude und Offenheit für Neues.

In diesem Sinne: Bleiben Sie auf jeden Fall neugierig!

Tipp: Sie wollen mehr zum Thema Personal? Dann lesen Sie jetzt die Beiträge „Gender Pay Gap: Wie sich für Frauen im Finanzsektor etwas ändern kann“ und „Arbeiten von Zuhause: Ein Erfolgsmodell?“.