„Die Fusion erfolgt auf Augenhöhe“

Markus Dauber, Vorstandvorsitzender der Volksbank in der Ortenau eG, die mit der Volksbank eG Schwarzwald Baar Hegau fusioniert, über die Geheimnisse einer großen Bankenfusion, über die Aufgabe von Vorständen im Fusionsprozess und wie die Rentabilität der Bank wachsen soll.


Bei der Volksbank in der Ortenau steht eine große Fusion an, Markus Dauber im Interview

BANKINGNEWS: Herr Dauber, Ihre Bank fusioniert mit einer anderen großen Volksbank. Was versprechen Sie sich davon?
Markus Dauber: Wir antizipieren frühzeitig die angesichts der veränderten Rahmenbedingungen zu erwartenden strukturellen Veränderungen und stellen unsere Bank so auf, dass sie in Zukunft noch immer attraktiv für Mitglieder und Mitarbeiter ist. Hierzu braucht es mehr Schwungmasse bezüglich Ertrag, Kapital und Innovationskraft. Und das erreichen wir durch den Zusammenschluss unserer beiden starken Banken.

Wie lange hat der Prozess gedauert?
Eine erste Strategietagung, die die Option einer Fusion beleuchtete, fand im Dezember 2019 statt. Im Januar dann das Verhandlungsmandat der Aufsichtsräte und trotz der Corona-Einschränkungen lagen Ende Juli die Beschlüsse mit Zustimmungsquoten von rund 95 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von rund 80 Prozent vor. Die beiden Banken arbeiten übrigens schon viele Jahre miteinander – besonders im großvolumigen Kreditgeschäft und im Zahlungsverkehr.

Aber es wird ja nicht ein Haus, nur weil Bankvorstände entscheiden, sie gehen den Weg der Fusion. Wie wollen Sie es hinbekommen, dass es eins wird?
Zunächst müssen wir vor allem die Mitarbeiter von unserer Idee unter dem Motto „Volksbank – die Gestalterbank“ überzeugen und begeistern. Wir haben uns als normativen Rahmen ein neues Leitbild gegeben, das mit seinen Ambitionen, strategischen Initiativen und Zielgrößen sehr viel Kraft verleiht. Die Vision „Zukunft Gemeinsam Gestalten“ bringt es auf den Punkt. Wir fokussieren bewusst auf die Mitglieder als Teil unserer Wertegemeinschaft. Wir begleiten die Menschen und den Mittelstand bei deren wirtschaftlichen, ökologischen, technologischen und gesellschaftlichen Transformation mit den genossenschaftlichen Prinzipien Partnerschaftlichkeit, Transparenz, Solidarität, Vertrauen, Fairness und Verantwortung als verlässlicher Bankpartner und fördern die Kultur der Selbstständigkeit.

Wie ist eine „Gestalterbank“ organisiert?
Organisatorisch werden wir durch eine möglichst weitgehende Dezentralität und hohe Eigenverantwortlichkeit die Dynamik, die auch bisher schon die beiden Banken ausgemacht haben, erhalten und noch ausbauen. So bleibt die Marktorganisation in den beiden Regionen weitestgehend erhalten – die Kompetenzen wachsen mit der Größe der Bank. Wir orientieren uns bei unserem Organisationsmodell einerseits am kybernetischen Modell des Viable-System-Modells sowie dem Integrierten Managementsystem andererseits. Die neue Größe ermöglicht den Auf- und Ausbau von Geschäftsbereichen, Produkten und einer Infrastruktur, für die die bisherigen Bankgrößen allein einfach zu klein gewesen wären.

Innovation darf bei einer Bank aber kein Zufall sein.

Wie drückt sich das aus?
Wie jedes Unternehmen brauchen auch Banken viel Neugier, Kreativität und Veränderungsbereitschaft zur Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells. Wir können das jetzt noch intensiver und mit mehr Ressourcen vorantreiben. Innovation darf aber kein Zufall sein. Strukturell leistet sich die große Bank jetzt einen eigenen Bereich für die strategische Unternehmensentwicklung. Im Rahmen der internen Kommunikationsstrategie geht es im ersten Schritt darum, die knapp 1.000 Kollegen über die schon vorhandenen Ideen und Leistungen der jeweils anderen Bank zu informieren. Das ist angesichts der Vielzahl und Vielfältigkeit gar nicht so einfach. Hier sind Vorstände und Führungskräfte besonders gefordert – in zum Teil virtuellen Teammeetings und mit den Möglichkeiten unserer neuen Gestalterbank-
App. Hierüber können wir zielgruppenorientiert Informationen, News und Chats mit professionellem Content bereitstellen, und das auf dem dienstlichen oder privaten Mobile-Device. Nur wenige Wochen nach Einführung erreichen wir bereits 95 Prozent der Mannschaft.

Klingt vielversprechend, trotzdem: Sehen sie noch Probleme im Fusionsgeschehen?
Aktuell stellen die Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie die größte Herausforderung dar. Ein Fusionsprozess verursacht natürlich auch Unsicherheit, Verlustängste, Abwehrreaktionen – die ganz normalen Reaktionen eines Veränderungsprozesses. Es ist wichtig, dass diese Phase so schnell wie möglich überwunden wird. Hierzu braucht es vor allem eins: Menschen, die miteinander kommunizieren, sich begegnen und auch mal miteinander feiern. Das funktioniert in diesen außergewöhnlichen Zeiten mit immer einem Meter fünfzig Abstand nicht. Wir konnten nicht mal das geplante Mitarbeiterfest im Oktober durchführen. Führungskräftetagungen finden mit Abstand in riesigen Sälen und mit Maske statt. Auch unsere Mitglieder- und Kundenforen, bei denen wir in normalen Zeiten mehrere Tausend Besucher begrüßen und von unseren Ideen begeistern können, fallen aus.

Es geht nicht um Best Practice von heute, sondern um Next Practice von morgen.

Gehen die Mitarbeiter den Weg mit? Wie ist Ihre Einschätzung?
Aktuell spüre ich eine Mischung aus hohem Commitment und gespannter Erwartungshaltung. Wir sind als Vorstände gerade auf Roadshow mit dem Thema Leitbild und Strategie – bewusst bieten wir viele kleinere Veranstaltungen an. Die Vorstände aus der Volksbank Schwarzwald Baar Hegau kommen in die Ortenau und umgekehrt treten die Ortenauer in Villingen-Schwenningen und im Hegau auf. Wir genießen auch deshalb einen hohen Vertrauensvorschuss, weil wir auch bei den letzten Fusionen immer bewiesen haben, dass der strukturelle Wandel mehr Chancen als Risiken beinhaltet. Wenn ich bedenke, wie viele Stellen wir in unseren neuen Geschäftsfeldern geschaffen wurden und damit den Stellenabbau in anderen Bereichen mehr als kompensiert haben, dann ist das eine enorme Leistung und zeigt, dass mit etwas Flexibilität niemand in der Bank Zukunftsängste haben braucht. Natürlich haben wir in den letzten Jahren auch unser Filialnetz und die Mitarbeiterzahl deutlich reduziert und durch digitale Serviceprozesse ersetzt. Gleichzeitig haben wir aber zum Beispiel im Geschäftsfeld Zahlungssysteme, im Plattformgeschäft oder der Firmenkundenbank viele neue Stellen geschaffen.

Es erfolgt eine Fusion zweier Banken, die gleich stark sind. Wer ist danach die Nummer eins, wer bestimmt die Strategie?
Es geht nicht um Best Practice von heute, sondern um Next Practice von morgen. Von daher ist die Frage zwar fusionstypisch, aber nicht zielführend. Wir haben den Strategieprozess mit vielen Verantwortlichen der Bereichsleiter und Teamleiterebene angelegt. Der Prozess wird bewusst von guten Moderatoren, aber eben nicht von einer Beratungsgesellschaft begleitet. Die operativen Fragen werden von unseren Führungskräften selbst bearbeitet und wir Vorstände erwarten, dass keine Verteidigungsgräben der alten Welten ausgehoben werden, sondern die Experten Willens und in der Lage sind, den Auftrag für das Next Practice auf den Weg bringen.

Sie wollen mit Ihrem Vorstandskollegen Joachim Straub eine Doppelspitze bauen?
Das ist richtig. Die Fusion erfolgt auf Augenhöhe. Alle Vorstände und Führungskräfte gehen den gemeinsamen Weg mit und auch alle Aufsichtsräte stellen sich weiter in den Dienst der vereinigten Volksbank und helfen mit der langjährigen Erfahrung gerade in der Startphase sehr. Die neue Volksbank eG wird auch zwei juristische Doppelsitze in Offenburg und Villingen-Schwenningen haben. Die Volksbank Schwarzwald Baar Hegau wird juristisch die übernehmende Bank sein – dies ist unter anderem aus steuerlichen Gründen sinnvoll. Die Volksbank in der Ortenau wird die technisch
übernehmende Bank sein – auch, weil sie mehr Mitglieder und Kunden hat, aber vor allem aufgrund ihrer internationalen Vernetzung im Zahlungsverkehr. Klar, das sind unkonventionelle Musterbrecher, aber es unterstreicht: Es geht nicht um Kirchturmdenken.

Das wird sehr gut moderiert durch erfahrene Moderatoren.

Worum dann?
Es geht darum, zwei große leistungsstarke Unternehmen durch eine Verschmelzung noch zukunftsfähiger zu machen und Kräfte zu bündeln. Das ist attraktiv. Das merken wir zum Beispiel auch dadurch, dass wir schon jetzt eine große Attraktivität für gut ausgebildete Mitarbeiter ausstrahlen. Wenn ein junger Banker im Südwesten Karriere machen will, dann bestehen bei einer Bank wie der unseren doch mehr Chancen als anderswo.

Mit der Fusion wollen Sie die Rentabilität steigern. Wie soll das genau gehen?
Wir werden an allen Stellschrauben optimieren. Immerhin stecken wir mitten in der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte und brauchen gerade jetzt für zu erwartende Risikovorsorge ein sehr gutes Teilbetriebsergebnis. Aktuell ist die Lage noch völlig entspannt und die Wirtschaft erholt sich nach und nach. Aber, da sind wir uns einig, die Zeit nach Corona ist nicht die gleiche wie davor. Es wird zu strukturellen Anpassungen in der Wirtschaft kommen. Grundsätzlich haben wir die Strategie der Volksbank aber weiterhin ausgerichtet auf Wachstum über die Kundenkreditseite und das Provisionsgeschäft. Es bestehen auch noch Chancen, über den Produktmix die Margen zu optimieren und auch aufgrund der größeren Bank größere Abschnitte in die Bilanz zu nehmen. Auch wenn die Bank jetzt eine große Volksbank ist – der Markt ist aus unserer immer noch mittelständischen Sicht faktisch unendlich groß.

In welchen Bereichen sind Sie gewachsen?
Beide Banken wachsen weiterhin überdurchschnittlich im Kreditgeschäft. Im Geschäftsfeld Zahlungssysteme sind wir steile Wachstumsraten ja gewohnt, aber durch das veränderten Zahlungsverhalten sind die Transaktionszahlen auf Rekordwerten. Wir gewinnen eine Menge neuer Kunden – die Transaktionsvolumen werden wir im nächsten Jahr so richtig spüren. Viele kommen jetzt auf uns zu, weil sie entweder bei den Großkonzernen der Payment-Industrie nicht mehr adäquat betreut werden oder schlicht ihr bisheriger Dienstleister pleite ist. Es scheint jetzt auch im E-Commerce-Payment angekommen zu sein, dass es nicht nur wichtig ist, welche Geschäfte man macht, sondern vor allem mit wem.

Auf meiner Visitenkarte steht auch der Zukunftsgestalter drauf.

Ihre Domain wird „gestalterbank.de“ sein. So richtig sexy war es aber nie, wenn sich Banken Kunstnamen gegeben haben, oder?
Wir übernehmen zunächst den Namen der juristisch aufnehmenden Bank. Und der lautet Volksbank eG – nix davor, nix dahinter. Wir haben uns dagegen entschieden, viele Städtenamen oder Regionen anzuhängen. Zumal wir ja auch weitere Volksbanken einladen, noch zu unserer großen Idee hinzuzustoßen. Am Ende ist die „Gestalterbank“ aus dem Leitbildprozess entstanden. Denn wir zielen hier bewusst nicht auf eine geografische Abgrenzung ab, sondern fokussieren auf eine Wertegemeinschaft. Wir sprechen hier auch nicht mehr von Kunden, sondern nur noch von Mitgliedern, denen klar ist, dass die Volksbank auf dem Prinzip eines Miteinanders besteht. Nur so kann man wortwörtlich „Zukunft Gemeinsam Gestalten“.

Wie sah der Leitbildprozess konkret aus?
„Zukunft Gemeinsam Gestalten“ stellt den Kern unserer Marke dar. Alles orientiert sich am Golden Circle, in dessen Mittelpunkt der Markenkern steht – also unser „Why“. Markenwerte, Markenpersönlichkeit und Markendesign beantworten das „How“ – zum Beispiel der Wille und die Fähigkeit, transformatorische Herausforderungen durch Netzwerke und Kooperationen zu bearbeiten. Der Kundennutzen entsteht aus dem „What“ – hier beschreiben wir den Rahmen für die strategischen Geschäftschancen, Produkte und Vertriebswege. Interessant ist, dass man diese Gedanken in unserer Geschichte wiederfindet. Unsere Bank wurde in einer Zeit gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technologischer Veränderungen gegründet, um durch eine Kooperation die Chancen nutzen und am Wohlstand teilhaben zu können. Es ging also schon Mitte des 19. Jahrhunderts um das Gestalten, das Why, durch Kooperation in Form der Genossenschaft, das How, und durch Vergabe von Krediten, das What. So bin ich stolz darauf, dass auf meiner Visitenkarte auch der „Zukunftsgestalter“ steht. Denn das ist unsere Mission.

Interview: Thorsten Hahn

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