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„Unser Geschäftsmodell ist wirklich einzigartig“

Vorstandsvorsitzender Harald Schmitz, Bank für Sozialwirtschaft, im Gespräch mit Thomas Friedenberger und Thorsten Hahn über Wachstumsmärkte, Wettbewerber, die Erweiterung der Wertschöpfungskette und das wesentliche Gut der Zukunft.


Vorstände im Gespräch, Harald Schmitz, Bank für Sozialwirtschaft

BANKINGNEWS: Herr Schmitz, Ihr Haus ist eine Nischenbank. Sehen Sie das eigentlich als Vorteil?
Harald Schmitz: Das auf jeden Fall. Aber wir sehen uns gar nicht als Nischenbank, sondern sind ein breit aufgestellter Spezialist in einer der bundesweit größten Branchen. Das Sozial- und Gesundheitswesen ist mit rund 245 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung doppelt so groß wie die Finanzbranche. 15 Prozent aller Sozialversicherungspflichtigen arbeiten im Gesundheitswesen. Daher sehen wir uns vielmehr als Fachbank in einer großen, wachsenden Branche. Hier positionieren wir uns als Spezialbank – und das schon seit fast hundert Jahren.

Dann könnten Sie ja sagen: Nächstes Jahr kann ich gute Zahlen verkünden, das weiß ich im Prinzip jetzt schon.
In der Tat sind die Rahmenbedingungen sehr gut. Aber worauf kommt es wirklich an? Dass man mit hoher Expertise beurteilen kann, wo Chancen und Risiken schlummern. Exakt das ist unsere Position als Fachbank in diesem Bereich.

Aber wir sehen uns gar nicht als Nischenbank

Wo liegen denn die größten Chancen und wo schlummern die größten Risiken?
Schauen wir mal auf die Pflegebranche, also die Altenhilfe. Das ist im Kreditportfolio das größte Teilsegment. Über 40 Prozent unserer ausgelegten Kredite sind in diesem Segment. Das ist ein zukunftsfähiger Markt, der sich aber auch stark verändert. Gerade in den letzten Jahren sehen wir den Trend zu neuen Wohnformen wie betreutem Wohnen. Wir haben hier aber nicht nur bundesgesetzliche Vorgaben, also das Sozialgesetzbuch, sondern auch landesspezifische Gesetze, die für verschiedene Umsetzungsformen sorgen. Hier gilt es, genau zu wissen: Wo ist was möglich? Wie ist der Wettbewerb? Da haben wir einen sehr guten Überblick über Chancen und Risiken für die einzelne Einrichtung im Markt.

Das war der Chancenbereich.
Ja, aber daraus kann man die Risiken ableiten, denn noch längst nicht alle Geschäftsmodelle und Standorte sind zukunftsfähig.

Das bedeutet für Ihre Bank …
… dass wir nicht nur das Unternehmen beurteilen, sondern auch die Immobilie, die Wettbewerbssituation und das konkrete Geschäftsmodell in der Region. Und daraus können Sie sowohl Chancen als auch Risiken ableiten. Zum Beispiel im Krankenhaussektor, in dem etwa 20 Prozent unseres Kreditportfolios arbeitet, wird es eine Strukturreform geben. Das ist klar. Vor allem wird sich der Markt stark verändern, auch weil die ambulante und die stationäre Versorgung immer mehr zusammenwachsen. Aber eins steht fest: Es wird auch in hundert Jahren noch Krankenhäuser geben.

Das auf jeden Fall.
Aber auch dann bedarf es Kompetenz und Erfahrung, beurteilen zu können, welche Standorte auch in Zukunft eine Rolle spielen werden. Genau dort liegt unsere spezifische Kompetenz. Hier hatten wir noch keine Kreditausfälle.

Es gibt Banken, die gern an diesen Markt heran wollen. Wie sehen Sie die Situation?
Wir konzentrieren uns auf institutionelle Kunden und haben kein Privatkundengeschäft. Insofern ist unser Geschäftsmodell wirklich einzigartig. Viele Banken sind in diesen Markt eingetreten. Aber weil am Ende vielleicht doch das Know-how in der Tiefe fehlt, hat man auch schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Natürlich gibt es andere, mit denen wir in Teilmärkten im Wettbewerb stehen. Aber das ist ein großer Markt, wo es Platz für viele gibt. Auch regionale Banken sind oftmals Wettbewerber. Aber häufig sind sie eher daran interessiert – nicht nur wegen der Größenordnung der Engagements – mit uns als Fachbank zusammenzuarbeiten.

In der Tat sind die Rahmenbedingungen sehr gut

Oft sind Ihre Partner die Kommunen, die Öffentliche Hand. Wie sehen Ihre Risikokosten aus?
Unser Kundenspektrum spiegelt die Sozialwirtschaft sehr gut wider. Wir haben eine Dreiteilung von Trägerstrukturen: den öffentlich-rechtlichen Bereich, die privaten Einrichtungen und einen großen Bereich der frei-gemeinnützigen, in dem unsere Gründungsgesellschafter, die Wohlfahrtsverbände, quasi tragend sind. Bezogen auf die Risikokosten ist dieser Mix für uns durchaus positiv.

Gleichwohl ist die Cost-Income-Ratio Ihrer Bank von gut 51 Prozent im Jahr 2017 auf über 63 Prozent in 2019 hochgeschnellt. Also steigen auch Ihre Kosten. Wie sehen Ihre Überlegungen dazu aus?
Unser strategisches Ziel lautet, dass wir wieder unter 60 Prozent kommen. Wir können mit der jetzigen Größenordnung ganz gut leben, weil wir wissen, warum es so ist. Wir haben erhebliche Investitionen in die Umsetzung von regulatorischen Anforderungen sowie in IT und Digitalisierung getätigt. Da waren viele Einmalaufwände dabei. Durch Ertragswachstum und Kostenmanagement werden wir in einigen Jahren auch die 60 Prozent wieder unterschreiten können.

In Ihrer Studie zur „Sozialwirtschaft 4.0“ heißt es, dass die Notwendigkeit von Investitionen in Digitalisierung zwar klar erkannt wird, die tatsächlichen Investitionen gerade in Digitalisierung aber noch sehr gering sind. Leidet Ihr Geschäft darunter?
Nein, wir sehen das als Chance und können das auch nutzen – in der Zukunft noch mehr als früher. Die Studie hat festgestellt, dass die Digitalisierung in der Sozialwirtschaft im Vergleich zur Gesamtwirtschaft hinterherhinkt. Die Investitionen für Digitalisierung liegen hier weit unter dem Durchschnitt.

Was tun?
Bislang lassen Bundes- und Ländergesetze nur wenig Spielraum. Je nachdem, welches Segment Sie anschauen, gibt es keinen Spielraum für langfristige Investitionen. Das ist politisch aber erkannt. Wir rechnen damit, dass es Förderprogramme und entsprechende Töpfe für die Sozialwirtschaft geben wird, um stärker investieren zu können. Wir als Fachbank für Sozialwirtschaft haben schon früh begonnen, digitale Leistungen bereitzustellen. Das begann vor rund 20 Jahren, als wir das erste Online-Spendenportal an den Markt brachten. Wir haben beim Online-Factoring mit dem führenden Software-Anbieter für die ambulante Pflege eine gemeinsame Tochtergesellschaft zum Factoring der abgerechneten Leistungen, bei der es voll IT-integriert läuft. Für uns ist es wichtig, Angebote, die es vielleicht für andere Branchen schon gibt oder die neu zu entwickeln sind, für die Bedürfnisse unserer Kunden zurechtzuschneiden und anzubieten. Unser Geschäft leidet darunter nicht. Gleichwohl werden auch wir in Zukunft stark in diese Themen investieren.

Wir alle wissen, dass Daten das wesentliche Gut der Zukunft sind

Die digitale Transformation ist schon länger Thema in der Finanzbranche. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Wir sind der festen Überzeugung, dass wir in der Funktion des Intermediärs, die wir als Bank wahrnehmen, noch gebraucht werden. Und in dem speziellen Sektor, den wir betreuen, noch mehr als in anderen, wo die Komplexität im Kredit- und Beratungsgeschäft nicht so hoch ist. Wir definieren diese Funktion aber nicht nur als Finanz-, sondern auch als Informations-Intermediär. Das heißt, wir sehen uns als Institution, die Expertise auch über finanznahe Leistungen hinaus zur Verfügung stellt. Wir alle wissen, dass Daten das wesentliche Gut der Zukunft sind. Und dorthin laufen auch unsere strategischen Überlegungen für die Sozialwirtschaft, sodass wir im Zielbild auch Datentreuhänder und -lieferant sind, also ein Informationslieferant, der datenbasiert arbeitet.

Sie sagen, Sie wollen auch digitaler Marktplatz für Dienstleistungen außerhalb von Bankdienstleistungen sein. Welche könnten das sein?
Was viele heute Non-Banking nennen, ist praktisch in den Genen unserer Bank schon angelegt. Wenn man mal in unsere Satzung hineinschaut, dann sind wir ein Dienstleister mit Finanzschwerpunkt für die Sozialwirtschaft. Wir hatten praktisch schon immer Non-Banking-Leistungen im Portfolio. Insofern geht es nicht darum, komplett neue Tätigkeiten zu erfinden, sondern das, was wir ohnehin tun, in eine digitale Zukunft zu führen und unser Dienstleistungsspektrum breiter aufzustellen.

Wie soll das genau geschehen?
Ein Schwerpunkt, der im Moment erfreulich wächst, ist der Bereich, in dem unsere Kernkompetenz liegt: alles rund um die Sozialimmobilie. Wir haben in unserer Tochtergesellschaft eine Beratungseinheit, die stark wächst. Deren einzige Wachstumsbremse ist momentan das notwendige Fachpersonal. Und da reden wir nicht über Banker, sondern über Experten, die eine Sozialimmobilie aus verschiedenen Blickrichtungen bewerten können. Um eine Sozialimmobilie zu bewerten – und da geht es nicht um Steine –, muss man wissen, inwiefern sie geeignet ist, das Geschäftsmodell zu ermöglichen, das dort betrieben wird. Genau hier liegt unsere Kernkompetenz, denn wir haben Experten, die aus der Branche kommen und das Geschäftsmodell bewerten können. Ein Beispiel: In unserer Cockpit-Studie haben Kunden die Möglichkeit, dieses Vorhaben vor der Investition aus allen Perspektiven zu beurteilen – vom Architekten bis hin zum Spezialisten für Pflegesatzrecht. Das ist etwas, was wir weiter ausbauen werden. Wir sehen das als wichtigen Aspekt in der Erweiterung der Wertschöpfungskette.

Es geht nicht darum, komplett neue Tätigkeiten zu erfinden

Diese Spezialisten wären praktisch reine Berater, oder?
Ja, das ist eine klassische Beratungstätigkeit, bei der man in sehr enger Partnerschaft mit dem Kunden zusammenarbeitet. Daran angekoppelt sind Bank- und Finanzgeschäfte. Wir sind derzeit dabei, mit Dienstleistern Produkte und Leistungen zu entwickeln, die man im Management braucht, um eine Organisation gut zu führen. Sie sind speziell auf die Anforderungen unserer Kunden zugeschnitten. Mit Partnern gemeinsam Unternehmen strategisch zu begleiten, ist für uns eine Erweiterung der Wertschöpfungskette. Auch das ist etwas, was die Bank zwar schon lange macht, nur jetzt finden sich neue Worte dafür.

Collaboration zum Beispiel.
Collaboration oder Non-Banking. Früher hätte von uns niemand darüber nachgedacht, dass man das Non-Banking nennen könnte, obwohl es ein passendes Wort ist. In unserem Gründungsauftrag ist es schon enthalten, als Berater und Begleiter der Branche tätig zu sein. Das macht den Ausbau dieser Dienstleistung für uns leichter, da unsere Kunden das mit uns schon verbinden.

Sie haben ins Start-up mitunsleben GmbH investiert. Ist das ein strategisches Feld, sich in der Start-up-Szene zu tummeln?
Natürlich ist es auch bei uns eine wesentliche Überlegung, wie wir uns noch besser mit Start-ups vernetzen. Unser Interesse sind erst einmal strategische Beteiligungen in Unternehmen für die Sozialwirtschaft. Es ist wichtig, hier zu differenzieren: Wenn man über Start-ups im Healthcare-Bereich spricht, dann ist das typische Bild, dass sie für Krankenhäuser, Medizin, Healthcare im engeren Sinne arbeiten.

Wie sieht eine strategische Beteiligung aus?
Die Frage ist: Was brauchen Start-ups? Erst einmal Geld. Aber das allein, da kennen wir genügend Beispiele, reicht oft nicht aus. Denn Start-ups scheitern oft deshalb, weil sie es mit einer guten Idee und vielleicht auch mit viel Geld nicht schaffen, diese Idee auch an die Kunden zu bringen. Deswegen spreche ich hier von strategischen Partnerschaften. Wir entwickeln zurzeit einen Venture Fonds, den wir so aufstellen, dass er dabei hilft, den Markt zu sondieren – und dann nicht nur Healthcare im engeren Sinne, sondern wirklich Social Impact. Das ist unser Kernbegriff. Deswegen arbeiten wir mit Investoren, die aus unserer Branche kommen und daher ein ähnliches Interesse haben. Dann können wir selektieren, was wirklich interessante Partner für eine Direktinvestition sind, an der wir uns beteiligen.

Wir profitieren vom Trend zu Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit

Wo holt sich der Vorstand das Know-how dafür her? Das kann ja nicht alles bei Ihnen selbst liegen?
Nein, nehmen wir zum Beispiel das Start-up mitunsleben GmbH. Es ist von Unternehmen und Organisationen aus der Sozialwirtschaft gegründet worden, die wir alle kennen. Wir sind der Überzeugung, dass sich die Plattformökonomie auch in der Sozialwirtschaft durchsetzen wird. Das Thema Plattformen ist insgesamt zentral für uns: 2018 haben wir mit sozialfinanz.de die erste Kreditvermittlungsplattform für die Sozialwirtschaft geschaffen. Dieses Produkt fehlte für unsere Zielgruppe bis dahin. Hier haben wir als Partner übrigens auch Banken ins Boot geholt, die normalerweise als unsere Konkurrenten gelten. Aber es ist klar, wir brauchen Partner an unserer Seite. Wir bringen das Branchen-Know-how und Kontakte mit und Fondsmanager etwa bringen das Start-up-Know-how mit, um das Unternehmen nach vorne zu treiben. Und dann ist es für uns vergleichsweise leicht, das über unsere Marktnähe, unsere Kontakte und unser Netzwerk auch zu fördern.

Schauen wir ins Unternehmen: Es heißt, dass bei Ihnen ein familiäres Arbeitsklima herrsche. Es gibt Trainee-Abende am Kamin mit dem Vorstand. Hilft das bei der Nachwuchssuche?
Wenn ich sagen würde, dass es immer ganz leicht ist, jede Stelle sofort hoch kompetent zu besetzen, wäre das eine Übertreibung. Wir profitieren aber vom Trend zu Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit des Tuns, der sich gerade bei jungen Menschen zeigt. Und da kommt man eben auf derartige Geschäftsmodelle und kann erkennen, dass zum Beispiel bei uns Nachhaltigkeit genetisch manifestiert ist. Wir finanzieren nur soziale Einrichtungen, die soziale Dienstleistungen erbringen, deren Leistung also am Ende Menschen in Not hilft. Menschen, die Unterstützung brauchen, die alt oder krank sind. Das macht es deutlich leichter, sich gegenüber anderen Banken zu profilieren.

Interview: Thomas Friedenberger, Thorsten Hahn

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