„Viele der NextGens fühlen sich von der Politik nicht ausreichend wahrgenommen“

Stefan Heidbreder ist Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen. Im Interview mit dem BANKINGCLUB erklärt er, wie die junge Unternehmergeneration tickt und welche Erwartungen die NextGens an die Politik haben.


Stefan Heidbreder ist seit 2005 Geschäftsführer der gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen

BANKINGNEWS: Herr Heidbreder, was ist das Charakteristische an der nachwachsenden Unternehmergeneration?

Stefan Heidbreder: Die sogenannten „NextGens“ sind in Unternehmerfamilien großgeworden und entsprechend geprägt. Für sie sind klassische Werte, wie die Bedeutung der Familie, oder unternehmerische Verantwortung, gleichermaßen zentral. Familienunternehmen ist Familie und Unternehmen im selben Atemzug. Daraus ergibt sich eine Verbundenheit, die auch die Mitarbeitenden, die nicht selten als „erweiterter Teil der Familie“ bezeichnet werden, einschließt.

Die NextGens sind bereit, Verantwortung zu übernehmen – für das Unternehmen, die Mitarbeiter und die Gesellschaft insgesamt. Dazu gehören auch aktuelle gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie der Klimawandel oder der soziale Zusammenhalt. Viele Familienunternehmen gibt es schon seit mehreren Generationen. Die Nachfolgerinnen und Nachfolger wollen dem hohen Anspruch, der daraus folgt, gerecht werden. Sie wollen das bereits Erschaffene nicht nur erhalten, sondern auch weiterbringen.

Laut einer aktuellen Studie „Deutschlands nächste Unternehmergeneration“ der Stiftung Familienunternehmen“ besteht eine große Bereitschaft bei den NextGens, Familienunternehmen weiterzuführen beziehungsweise als Gesellschafter mitzubestimmen. Was bedeutet das für die Zukunft des vom Mittelstand geprägten Wirtschaftsstandortes Deutschland?

Das zeigt erst einmal, dass die junge Unternehmergeneration gesellschaftliche Verantwortung übernehmen will. Sie sichert und schafft auch in Zukunft Arbeitsplätze und damit Wohlstand in den Regionen. 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen und zudem Arbeitgeber für circa 60 Prozent der Beschäftigten. Gleichzeitig müssen die politisch gesteuerten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Diese bereiten den NextGens Sorge. Laut unserer Umfrage hat derzeit knapp die Hälfte der Nachfolger kein Vertrauen in die Bundesregierung (45,9 Prozent).

Das bedeutet nicht, dass staatliche Institutionen beziehungsweise unsere Demokratie infrage gestellt werden. Es bedeutet vielmehr: Viele der NextGens fühlen sich von der Politik nicht ausreichend wahrgenommen. Auch sind viele der Unternehmensnachfolger von der Problemlösungskompetenz der politischen Parteien nicht wirklich überzeugt. Immer mehr NextGens schließen den Verkauf ihres Familienunternehmens deshalb nicht aus. Das finde ich Besorgnis erregend. Im Jahr 2022 waren es noch circa 14 Prozent, in diesem Jahr sind es schon mehr als 23 Prozent. Das ist ein Zuwachs von neun Prozentpunkten! Das muss für die Politik ein Alarmsignal sein.

Laut unserer Umfrage hat derzeit knapp die Hälfte der Nachfolger kein Vertrauen in die Bundesregierung

Stefan Heidbreder

Was wünschen sich NextGens von der Politik, Stichwort Erbschaftsteuer und andere fiskalische Belastungen? Welche Erkenntnissen kommt Ihre aktuelle Studie hier und wie ordnen Sie diese ein?

Eine deutliche Mehrheit der nächsten Unternehmergeneration sieht in der Erbschaftsteuer eine hohe Belastung und zentrale Herausforderung für die Weiterführung des Familienunternehmens. Im Rahmen unserer Umfrage erhält eine Entlastung bei der Erbschaftsteuer die höchsten Zustimmungswerte (75 Prozent). Es ist ein ökonomisches Naturgesetz: Je stärker die Unternehmensnachfolge steuerlich belastet wird, desto eher werden die Investitionen der Familienunternehmen sinken. Unternehmen werden ganz oder teilweise veräußert, die Nachfolge scheitert oder die wirtschaftliche Substanz, von der die jeweilige Region lebt, wird geschmälert. Laut unserem „Länderindex Familienunternehmen“ ist Deutschland bereits jetzt Höchststeuerland. Im Bereich Steuern liegen wir im Vergleich mit 20 anderen OECD-Staaten auf dem vorletzten Platz. Kein Wunder also, dass weitere Steuererhöhungen für Familienunternehmen auf mehrheitliche Ablehnung treffen.

Interview: Marco Wehr

Stefan Heidbreder

ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen. Diese Institution versteht sich als bedeutendster Förderer wissenschaftlicher Forschung zum Thema Familienunternehmen und ist Ansprechpartner für Politik und Medien in wirtschaftspolitischen, rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen. Die Stiftung Familienunternehmen wurde 2002 gegründet Stiftung und wird mittlerweile von über 500 Firmen aus dem Kreis der größeren deutschen Familienunternehmen getragen.


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