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„Der KI-Boom ist eigentlich ein Analytics-Boom“ – SAS Analytics Experience 2018

Auf der SAS Analytics Experience 2018 in Mailand trafen sich am 22.–24. Oktober IT-Entscheider, Analytics-Experten sowie Innovations-Enthusiasten aus jeder Branche und von überall auf der Welt. BANKINGNEWS war für Sie vor Ort, um in Erfahrung zu bringen, wie die Finanzbranche in Sachen Digitalisierung und insbesondere bei Big-Data-Analytics aufgestellt ist.


Bei der Analytics Experience 2018 in Mailand kamen Tausende von Teilnehmern zusammen, um sich über aktuelle Trends und Entwicklungen bei Business-Technologien auszutauschen.

„Das Wort ‚Elfenbein‘ scholl durch die Luft, wurde geflüstert, wurde geseufzt. Man hätte meinen können, sie beteten es an.“ ein Zitat aus dem Buch „Das Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad, das sich im Jahre 2018 ebenso gut auf das Wort „Künstliche Intelligenz“ beziehen könnte. Auch auf der Analytics Experience in Mailand, bei der Tausende von technologiebegeisterten Teilnehmern für drei Tage zusammenkamen, konnte sich ein Besucher jederzeit sicher sein: Irgendwo auf dem Gelände spricht jemand gerade über Künstliche Intelligenz.

Dass der Begriff „KI“ jedoch für viele Menschen bereits zu einem abgenutzten Buzzword geworden ist, weiß Oliver Schabenberger, Executive Vice President, Chief Operating Officer und Chief Technology Officer von SAS, der den Eröffnungsvortrag vor allem dieser neuen Technologie widmete. „There’s an AI for that“ sei die neue Version des berühmten Apple-Slogans „There’s an app for that“, der perfekt die anfängliche Begeisterung des Smartphone-Booms einfängt, welcher allmählich abzuebben droht. Es sei aber wichtig anzuerkennen, dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen den leeren Versprechungen über Künstliche Intelligenz der 1980er Jahre und den heutigen KI-Lösungen gibt: Heute gibt es eine höhere Datenqualität und bessere Algorithmen, die Unternehmen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz einen tatsächlichen Mehrwert bringen können. Deshalb, so Schabenberger, sei der KI-Boom eigentlich ein Analytics-Boom.

„Unser Ziel ist es nicht, Jobs zu retten, sondern den Menschen“

Über die Gefahren von Künstlicher Intelligenz herrschen viele Irrtümer. Der Pfad, welcher zu einer sogenannten „narrow artificial intelligence“ führt eine Künstliche Intelligenz, die nicht denken kann und lediglich klar definierte Aufgaben erfüllt sei nämlich entgegen der populären Meinung nicht mit dem Pfad zu einer „artificial general intelligence“ verbunden. „Diese existiert nicht, außer in Film-Drehbüchern“, beruhigt Schabenberger das Publikum. Doch auch die Angst vor Automatisierung und dem damit verbundenen Jobverlust sorgt branchenübergreifend für Skepsis gegenüber neuen Technologien. Auch hier ist sich Oliver Schabenberger sicher, dass Technologie einen primär positiven Effekt auf unsere Gesellschaft haben wird, denn „Automatisierung lässt die guten Jobs für den Menschen übrig“.

Neben Vorträgen bekamen die Teilnehmer der Analytics Experience 2018 in Mailand auch Workshops, Demos und einen Innovation-Hub geboten.

Was Künstliche Intelligenz und Automatisierung der Finanzbranche im Allgemeinen und dem Riskmanagement im Speziellen bieten kann, konnten wir im Interview mit Renzo Traversini, Senior Director RQS, EMEA Risk Business Consulting bei SAS, besprechen. Er ist der Meinung: Was Anwendungsfälle von Künstlicher Intelligenz im Risikomanagement betrifft, befinden wir uns aktuell noch in einer Explorationsphase. „Traditionelle Modelle durch KI-Modelle zu ersetzen, ist nicht immer möglich, denn die Anforderungen an diese Modelle gehen weit über bloße Genauigkeit hinaus.“ Die gute Nachricht ist jedoch, dass auch Risikomanager erstmal nicht um ihre Jobs bangen müssen, denn „auch wenn es für Unternehmen sehr attraktiv ist, echte Experten durch neue Prozesse zu ersetzen, ist dies nicht immer sinnvoll oder überhaupt möglich“, so Traversini.

Mitarbeiter von Banken müssen sich auf große Veränderungen vorbereiten  doch das ist nichts Neues. Herbert Radl, Head of Risk Management Models and Analytics bei der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, arbeitet bereits seit 14 Jahren im Bereich Risikomanagement und hat erlebt wie sich die Rolle des Risikomanagers verändert hat. „Früher war Riskmanagement ein abgeschlossener Bereich. Wir haben in unseren Silos gelebt und die meiste Zeit mit ‚Simple Reporting‘ verbracht. Heute geht unsere Arbeit immer mehr in Richtung Prozessgestaltung bzw. Datenmanagement“. Die Anforderungen an das Risikomanagement haben sich zwar verändert, aber sind nach wie vor hoch: „Derzeit mangelt es nicht an Daten, sondern die Frage ist eher: Wie setzt man vernünftige Algorithmen ein, um diese fürs Riskmanagement nutzbar zu machen?“, so Radl.

„Technologie ist die Antwort, aber was war die Frage?“

Den Teilnehmern der Analytics Experience 2018, die sich über neue Technologien informieren wollten, präsentierten SAS und die eingeladenen Sprecher einen Überfluss an Use Cases. In Parallelvorträgen wurden Themengebiete wie „Fraud & Security Intelligence“, Risk Analytics“ und Decision Management“ im Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Branchen diskutiert. Da fällt es leicht, die entscheidende Frage aus dem Blick zu verlieren: Was möchte eigentlich der Kunde? Roberto Verganti, Professor für Leadership und Innovation an der School of Management Politecnico di Milano, versuchte die Schwierigkeit dieser Frage anhand eines Songtexts der britischen Band Coldplay zu erklären. Der Satz „you get what you want, but not what you need“, also die Aussage, dass Unternehmen ihren Kunden zu oft geben, was sie wollen, aber nicht was sie brauchen, beschreibe nämlich das eigentliche Problem. Laut Verganti sei es nicht sinnvoll, ein innovatives Produkt zu entwickeln, das zwar effektiver und leichter, aber dafür nicht im Interesse des Kunden ist. Das gilt auch für Künstliche Intelligenz. So warnt der Business-Philosoph Anders Indset in seinem Vortrag: „Wenn wir schon diesen ‚Gott aus der Maschine‘ erschaffen, dann sollten wir einen kreieren, mit dem wir in Frieden zusammenleben können“.

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