Digitales Zentralbankgeld: Was wäre wenn …?

Kommen digitale Zentralbankwährungen? Denn in Ländern mit ausgereifter Finanz­architektur gibt es ja eigentlich kaum die Notwendigkeit für Bezahlsysteme, die auf Kryptogeld basieren. Eigentlich. Dr. Jörn Quitzau klärt auf und beschreibt Auswirkungen auf die Geschäftsbanken.


Digitales Zentralbankgeld, Kommt es und mit welchen Auswirkungen?

Folgt das Angebot der Nachfrage – oder folgt die Nachfrage dem Angebot? Eine Frage, die sich aufdrängt, wenn man über die Einführung von digitalen Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies, kurz CBDC) nachdenkt. Vielleicht lautet die Antwort darauf einfach: weder noch. Viel eher mag es sein, dass digitales Zentralbankgeld nur deshalb geschaffen wird, weil es technisch möglich ist und die (digitale) Geldbereitstellung nicht privaten Playern überlassen werden sollte.

Doch der Reihe nach. Private Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum haben in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Vor allem der Marktführer Bitcoin hat durch traumhafte Kurssteigerungen, aber auch durch spektakuläre Kurseinbrüche von sich reden gemacht. Damit sind Kryptowährungen für manchen Anleger zum beliebten Spekulationsobjekt geworden.

Die Akzeptanz im Einzelhandel ist hingegen verschwindend gering. Als massentaugliches Zahlungsmittel haben sie sich bisher nicht durchsetzen können. Und als Transaktionsmittel werden Kryptowährungen allenfalls in einer Nische verwendet.

Aus Sicht der Verbraucher gibt es in Ländern mit ausgereifter Finanzarchitektur auch kaum die Notwendigkeit für Bezahlsysteme, die auf Kryptogeld basieren. Schon jetzt gibt es alle Möglichkeiten, seine Zahlungen kostengünstig und sicher abzuwickeln: ob mit Bargeld, Giro- und Kreditkarten, mit Banküberweisungen inklusive Instant Payments oder über Internet-Bezahldienste. Effiziente und passende Angebote gibt es also bereits.

In diesem Umfeld hätte digitales Zentralbankgeld primär die Aufgabe, das Bargeld zu ersetzen oder dessen Funktionen zu übernehmen. So lange Bargeld noch weit verbreitet und akzeptiert ist, dürfte die Nachfrage nach digitalem Zentralbankgeld eher gering bleiben.

Digitales Zentralbankgeld: Testphase in Schweden

Das Bargeld-Argument kann auch erklären, weshalb die schwedische Zentralbank mit den Plänen für eine „E-Krone“ besonders weit fortgeschritten ist. Dort wurde auch bereits eine Testphase mit dem digitalen Zentralbankgeld gestartet. Bargeld wird in Schweden – im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern – nur noch selten genutzt. Viele Geschäfte akzeptieren gar kein Bargeld mehr. Nur noch sechs Prozent aller Zahlungen wurden 2019 bar abgewickelt. Damit steigt für die schwedische Nationalbank die Gefahr, dass sich private Währungen als Ersatz für das Bezahlen mit Bargeld durchsetzen und dadurch der geldpolitische Einfluss der Zentralbank beeinträchtigt wird.

Zum einen sind es also die neuen technischen Möglichkeiten. Zum anderen die Konkurrenz durch private Kryptowährungen, die viele Notenbanken veranlassen, über eigenes Digitalgeld nachzudenken. Zentralbanken der etablierten Industrienationen sorgen sich dabei besonders um die Themen Sicherheit und Finanzstabilität. Aktualität erhält es durch die angekündigte Facebook-Währung Libra. Sie hat das Potenzial, sich als Transaktionsmittel schnell zu etablieren.

Denn die Nützlichkeit einer Währung steigt natürlich durch die Anzahl derer, die sie als Zahlungsmittel akzeptieren – ob B2B, B2C oder C2C. Facebook hat mehr als zwei Milliarden Nutzer weltweit. Es hätte damit die Möglichkeit, Libra auf einen Schlag zu großer Verbreitung und somit zum Erfolg zu verhelfen. Die Digitalkonzerne mit ihrer gewaltigen Kunden- und Nutzerbasis haben das Potenzial, Zahlungssysteme zu entwickeln, die losgelöst sind vom staatlichen Geldwesen. Besonders gut stehen dabei die Erfolgsaussichten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Denn sie verfügen (noch) nicht über ein ausgereiftes Bankensystem mit funktionierendem Zahlungsverkehr.

Vorsichtige Diskussion in Zentralbankkreisen

In Zentralbankkreisen werden die Möglichkeiten digitaler Zentralbankwährungen mit Vorsicht diskutiert. Die mit einem solchen Experiment verbundenen Ungewissheiten sind groß. Chancen und Risiken lassen sich noch nicht recht greifen. So könnte digitales Zentralbankgeld den Geschäftsbanken Sichteinlagen entziehen. Die Entscheidung über Bargeld versus Sichteinlage könnte hinfällig werden, wenn beides als nahezu äquivalent eingestuft wird. Geschäftsbanken könnten dadurch bei zentralen Aufgaben wie der Finanzintermediation beeinträchtigt werden.

Auch könnten die Zentralbanken mit einer digitalen Währung eine Gefahr für die Geschäftsmodelle der privaten Zahlungsdienstleister bedeuten. Zudem stellt sich die Frage, was mit den Daten passiert, die bei Bezahlvorgängen generiert werden. Dabei geht es nicht nur um Datensicherheit und Datenschutz. Es geht auch um die Frage, ob werthaltige Informationen den privaten Unternehmen entzogen werden, die die Daten sonst kommerzialisieren könnten.

Schließlich würde eine Umstellung von Bargeld auf digitales Zentralbankgeld aber auch eine große Chance für die Zentralbanken mit sich bringen. Sie könnten ihre expansive Zinspolitik mittels negativer Zinsen noch griffiger machen. Denn im heutigen System können Sparer negativen Zinsen in gewissem Maß entgehen, indem sie ihr Geld vom Konto abheben und ihr Bargeld privat aufbewahren. In einer Welt, in der es nur noch digitales Zentralbankgeld gäbe, würden die Ausweichmöglichkeiten wegfallen und negative Zinsen das Ersparte entwerten.

Nicht zuletzt deshalb dürfte die Nachfrage nach digitalem Zentralbankgeld selbst dann gering bleiben, wenn es lediglich als Alternative zum weiterhin bestehenden Bargeld eingeführt würde. Um geldpolitisch tatsächlich eine Wirkung zu erzielen, müsste das Bargeld abgeschafft werden. Spätestens dann würden digitale Zentralbankwährungen jedoch zu einem sehr konfliktträchtigen Politikum.