Prozesskultur für Banken: Organisationen sich selbst verändern lassen

Studien belegen: Prozessmanagement erzeugt Widerstände, viele Mitarbeiter bekommen sogar regelrecht Angst, wenn es darum geht, stärker in Prozessen zu denken. Viele befürchten, dass der Mensch dabei zu kurz kommt – oder sehen den eigenen Arbeitsplatz schon durch einen Roboter ersetzt. Doch darum geht es nicht. Gute Prozesse dienen vielmehr den Mitarbeitern.


Mitarbeiter, die sich gegen neue Prozesse wehren, zeigen oftmals geradezu den in ihnen ruhenden Revolutionscharakter. Bildnachweis: iStock.com/RapidEye

Richtig ist: Gut gemachtes Prozessmanagement führt dazu, dass Unternehmen interne Abläufe stärker IT-seitig unterstützen, teilweise automatisieren oder sogar ganz dunkelverarbeiten. Unter den Top Ten der wichtigsten Trends im Prozessmanagement stehen über die Jahre neben einer prozessorientierten IT-Architektur jedoch eher anwendernahe Themen wie Compliance, Sicherheit oder Governance. Sie zielen also nicht darauf ab, den Menschen zu ersetzen, sondern rücken ihn und seinen Informationsbedarf stattdessen ins Zentrum des Geschehens.

Finden statt suchen

Die VR Bank Kaufbeuren-Ostallgäu hat dieses Prinzip übersetzt in die handlungsleitende Maxime, dass Mitarbeiter finden sollen, statt suchen zu müssen. Technisch läuft das über ein rollenbasiertes Prozessmodell. Informationsträger ist weiterhin der Prozess. Doch anders als üblich greifen die Kollegen nicht über eine zentrale Veröffentlichungsplattform auf die Inhalte zu, sondern über ein individuelles Mitarbeiter-Cockpit. Standardmäßig teilt das Organisationshandbuch jedem Mitarbeiter zudem seiner Rolle gemäß alle benötigten Informationen automatisch zu.

Mit gängigen BPM-Systemen lässt sich dieses Zielbild relativ leicht erreichen, sofern die Daten nach dem OLAP-Prinzip in der Datenbank abgespeichert sind. Dann lässt sich auf verschiedene Aspekte – oder auch: Dimensionen des OLAP-Würfels – auf die gleiche Weise zugreifen. Beispiele: Zeige mir alle einer bestimmten Rolle zugeordneten Berechtigungen. Oder: Zeige mir alle Rollen, die ein bestimmtes IT-System benutzen. Im Mitarbeiter-Cockpit lassen sich solcherart vorprogrammierte Ansichten speichern, um die täglichen Abläufe aktiv zu unterstützen.

Aufsichtsrechtskonforme Workflows

Ein Regelsystem erlaubt darüber hinaus, Abhängigkeiten abzubilden und beispielsweise einen mehrstufigen Freigabe-Workflow zu erstellen. Handelt es sich etwa um wesentliche Änderungen an der Ablauf- oder Aufbauorganisation (AT 8.2 MaRisk), kann das IT-System automatisch die Freigaben bestimmter Rolleninhaber aus den Abteilungen Compliance, Interne Revision oder Risiko-Controlling abfordern, bevor eine Anweisung im Organisationshandbuch veröffentlicht wird. Ein rollenbasiertes Prozessmodell erlaubt zudem, innerhalb des Workflows nachzuvollziehen, wer was wann geprüft und freigegeben hat – und ob die handelnde Person in ihrer Rolle dazu befugt gewesen ist.

Diese Transparenz ist unverzichtbar, da die Nachvollziehbarkeit im Workflow zu den zentralen Prüfungsgrundlagen bei jährlichen Verbands- und Sonderprüfungen der Bundesbank zählt. Bei einer Sonderprüfung nach §37a KWG (Bargeldrecycling) hat sich das rollenbasierte Prozessmodell bereits bewährt. Externe Kontrolleure können eigene Zugänge ins System erhalten und sich ein auf ihre Prüfungsinhalte abgestimmte Ansicht nutzen. Auch ohne das Organigramm im Kopf zu haben, können Prüfer so beispielsweise nachvollziehen, ob sich Durchführungsrollen und Tätigkeiten überschneiden, die sich gemäß der geforderten Funktionstrennung nicht überschneiden dürfen.

Hüter der Standards

Damit dies alles funktioniert, fällt der Organisation eine strukturgebende Aufgabe zu. Zwar macht die Abteilung keine inhaltlichen Vorgaben mehr. Doch zu nutzende Formulare und IT-Systeme sowie methodische Standards für das Prozessmanagement müssen zentral festgelegt werden. Sie bilden den Rahmen in dem die Fachbereiche eigenständig arbeiten und anweisungsrelevante Inhalte selbst erstellen. Das dem Organisationshandbuch zugrundeliegende BPM-System ermöglicht dabei, erstellte Inhalte nach bestimmten Kriterien zu filtern. Dieser automatische „Content-Check“ hilft dabei die Anweisungsqualität zu sichern. Dahinter steckt die Idee, dass Mitarbeiter in erster Linie damit beschäftigt sein sollten, Anwendungen anzuwenden, also damit arbeiten zu können, statt sich anweisungsrelevante Aussagen selbst erschließen zu müssen. Das hat sich inzwischen zu einem etablierten Prozess entwickelt mit Durchlaufzeiten von nur wenigen Minuten.