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„Die Hauptvorteile sehen wir in der Agilität“

Michael Girg, Chief Cloud Officer bei der Deutschen Börse AG, über Auslagerungen in die Cloud, neue Schlüsseltechnologien und kollektiv durchgeführte Audits.


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BANKINGNEWS: Die Deutsche Börse arbeitet an Auslagerungen in die Cloud und hat in diesem Jahr mehrere Partnerschaften bekannt gegeben, unter anderem mit Microsoft. Welche Vorteile sehen Sie darin für Ihr Unternehmen?
Michael Girg: Die Hauptvorteile sehen wir in der Agilität, also der Möglichkeit, Infrastruktur schneller und besser skalierbar bereitzustellen. Hinzu kommt, dass wir neue Funktionalitäten mit Hilfe der Cloud schneller entwickeln und zur Marktreife führen können. Wir werden dort, wo es möglich ist, die Services der Cloud Service Provider nutzen und sie nicht selbst entwickeln. Wir sehen auch die Chance, dadurch mehr zu automatisieren und die Effizienzen der Cloud zu nutzen. Und nicht zuletzt kann die Cloud Innovation vorantreiben. Sie ermöglicht uns, neue Technologien zu implementieren, die ohne die Verfügbarkeit von unbegrenzter Rechenleistung, unbegrenztem Speicher und der Demokratisierung von Frameworks nur sehr viel schwerer auf- und umzusetzen sind. Die Deutsche Börse wird schrittweise erste materielle Auslagerungen vornehmen, beispielsweise auf die Cloud-Plattform Azure von Microsoft sowie Microsoft 365 einsetzen.

Was gibt es bei der Auslagerung von Dienstleistungen in die Cloud zu beachten?
Ein wichtiger Aspekt ist, dass wesentliche Auslagerungen, also Dienstleistungen, die in der Regel von Instituten selbst erbracht werden und für den Betrieb ihres Kerngeschäfts unerlässlich sind, die Einhaltung nationaler Vorgaben und EU-Vorschriften erfordert.

Was sind die wichtigsten Aspekte für die erfolgreiche Migration regulierter Anwendungen auf Cloud-Plattformen in Ihrem Unternehmen?
Diese Frage lässt sich anschaulich mit unserem Purpose, also unserem Unternehmenszweck, beantworten: Vertrauen in die Märkte von heute und morgen zu schaffen. Das ist oberste Prämisse und gilt auch für die Cloud-Nutzung. Sicherheitsaspekte und Compliance-Anforderungen einzuhalten, sind dabei für uns von höchster Bedeutung. Denn die Sicherheit unserer Daten und der Kundendaten sind eine Grundvoraussetzung für unsere Dienstleistungen als Anbieter von Marktinfrastruktur. Unsere Migrationen zielen auch auf konkrete Vorteile ab, zuallererst Agilität und beschleunigte Innovation, aber auch die Reduktion fixer Kosten und die Konzentration auf unsere Kernkompetenz.

Welcher Aufwand muss betrieben werden, damit notwendige Audits innerhalb der Regulatorik durchgeführt werden können?
Beaufsichtigte Institute sind verpflichtet, uneingeschränkte Prüfungsrechte und -fähigkeiten im Falle einer wesentlichen Auslagerung an Dienstleister zu gewährleisten. Solche Audits verursachen sowohl bei Finanzinstituten als auch bei Cloud Solution Providern, kurz CSP, einen erheblichen Aufwand. Bei CSPs multipliziert er sich mit der Zahl der Kunden aus der Finanzdienstleistungsbranche. Hier greift das Konzept der Collaborative Cloud Audit Group, kurz CCAG, die von der Deutschen Börse initiiert wurde: Durch die Bündelung der Audits mehrerer Kunden aus der Finanzindustrie, die kollektiv durchgeführt werden, reduziert die CCAG den Aufwand sowohl für Finanzinstitute als auch für CSPs.

Inwiefern kann eine Auslagerung in die Cloud bei der Entwicklung von neuen Technologien helfen?
Bei unserer Wachstumsstrategie Roadmap 2020 verfolgen wir eine Drei-Säulen-Strategie. Investitionen in neue Schlüsseltechnologien wie Cloud, Big Data und Analytics, Robotik und Künstliche Intelligenz sowie Distributed Ledger-/Blockchain-Technologie sind eine dieser Säulen. Aus unserer Sicht bildet die Cloud die Grundlage für die Beschleunigung dieser Technologien. Die Partnerschaft mit Microsoft ermöglicht es uns, die nächste Stufe der Cloud-Nutzung zu erreichen und unsere Initiativen voranzutreiben.

Sie fahren eine Multi-Vendor-Strategie – welche Gründe gibt es dafür?
Mithilfe unserer Multi-Cloud-Strategie können wir Abhängigkeiten von einem einzelnen Cloud Service Provider vermeiden und sind in der Lage, Stärken des jeweiligen Anbieters optimal zu nutzen. Darüber hinaus verfolgen wir einen hybriden Ansatz, bei dem die eigenen Rechenzentren weiterhin verfügbar sind, denn nicht alle Inhalte werden in die Cloud migriert.

Interview: Thomas Friedenberger